piwik no script img

Kräfte aus dem AuslandUnion will Pflegehelfer legalisieren

Die Union hat sich darauf geeinigt, die legale Beschäftigung von Nicht-EU-Bürgern als Pflegehelfer zu ermöglichen. Ein Modell aus Österreich dient als Vorbild.

Seniorenwohnanlage in Rostock. Bild: dpa

BERLIN taz | Für hunderttausende Familien in Deutschland stellt die Pflege ihrer Angehörigen ein massives Problem dar. Oftmals bleibt ihnen nur der Ausweg, illegal Personal aus Nicht-EU-Staaten anzustellen. Die Union hat sich jetzt intern geeinigt, wie sie das Problem der illegalen Beschäftigung im Pflegebereich lösen will.

Aus einem Eckpunktepapier, das am Montag publik wurde, geht hervor, dass sie ein Modell plant, bei dem Angehörige von Pflegebedürftigen die Arbeit von Nicht-EU-Bürgern legal annehmen können, wenn sie dem Personal im Gegenzug pro Monat zwischen 800 und 1000 Euro zahlen und ihnen ein eigenes Zimmer sowie kostenlose Verpflegung zur Verfügung stellen. Die Sozialversicherungsbeiträge der Pflegehelfer sollen dann aus den Mitteln der Pflegeversicherung bezahlt werden.

Damit orientiert sich die Union im Wesentlichen an einem Modell, das in Österreich seit 2007 staatlich gefördert wird. Laut Angaben der österreichischen Regierung von Dezember 2010 nutzten dort zwei Prozent der Pflegebedürftigen diese Möglichkeit. In Deutschland ist eine neue Regelung der Pflege dringend notwendig. Über 1,5 Millionen Menschen werden in Deutschland zu Hause gepflegt. Wie viele Pflegekräfte dabei illegal helfen, kann man schwer sagen. Alleine aus Osteuropa sollen es Schätzungen zufolge bis zu 100 000 sein.

Gerade bei der Pflege von Demenzkranken, die eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung brauchen, können die Angehörigen kaum auf externe Hilfe verzichten. Sehr häufig werden Demenzkranke in eine zu geringe oder überhaupt keine der drei Pflegestufen eingeteilt, da sich die Stufen nur an der körperlichen Leistungsfähigkeit orientieren. So erhalten altersverwirrte Menschen, die beispielsweise noch dazu im Stande sind, sich selbst anzuziehen, weniger Geld aus der Pflegeversicherung. Das ist einer der Gründe, warum sich viele Familien keine Hilfe durch professionelle Pflegedienste leisten können und auf die Hilfe von Illegalen zurückgreifen.

Reform der Pflegeversicherung

Im Unionspapier wird auch gefordert, den Pflegebedürftigkeitsbegriff zu reformieren. Dieser solle sich künftig nicht mehr nur an der körperlichen Leistung orientieren, sondern daran, wie gut ein Patient noch für sich selbst sorgen kann.

Die Idee, den Pflegebedürftigkeitsbegriff neu zu definieren und somit der Situation von Demenzkranken Rechnung zu tragen ist nicht neu. Philipp Rösler hat diesen Schritt auch für seine Reform der Pflegeversicherung genannt, die im Laufe dieses Jahres kommen soll. Dass dieser Schritt unvermeidbar ist, war aber auch schon unter Röslers Vorgängerin Ulla Schmidt klar.

Die Union schlägt in ihrem Eckpunktepapier außerdem vor, die Einstufung der Pflegepatienten in die Pflegestufen künftig von einer unabhängigen Institution vornehmen zu lassen statt wie bisher vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Häufig hätten Betroffene ihre Bedenken geäußert, die Krankenkassen würden Einfluss auf die Entscheidungen des MDK nehmen und so die Pflegebedürftigen mit Blick auf die eigenen Finanzen zu niedrig einstufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • F
    franziska.qu

    Es geht ausdrücklich um die Nicht-EU-Schwarz-in-der Pflege-arbeitenden. Gleichzeitig werden für deutsche Pflegende die Arbeitsbedingungen schlechter, die Löhne SINKEN auf das Mindeslohnniveau, weil bisher auch ungelernte Pflegehelferinnen MEHR verdienten, als den aktuellen Mindestlohn. Niemand weiß, oder will bisher wissen, wies ab 1.5., nach der Arbeitsmarktöffnung, ausschaut. Die Hartz 4-Anträge für deutsche Pflegehelferinnen liegen schon auf den Ämtern bereit. Die Pflege-Fachkräfte, die angeblich in Deutschland fehlen, gehen nach der Ausbildung in die Schweiz und nach Österreich zum arbeiten; die Bundesagentur hat in Ostdeutschland ein Vermittlungsbüro für deutsche Fachkräfte nach Norwegen. Die Pflegehelfer verdienen zukünftig mit den 8,50€ (West)scheinbar immer noch zu viel, deshalb versuchen die Verbände der privaten Arbeitgeber durch ihre einflußreiche Lobbyarbeit in der Regierung, immer mehr Ausländer in die Pflege zu schleusen. Möglichkeiten, den Mindestlohn zu umgehen, gibt es. Den Pflegeberuf attraktiver machen? Die Werbeheftchen werden auf Hochglanz präsentiert, Propaganda, wie überall im Kasperlland. Die gewollte Realität ist eine andere.

  • M
    marelion

    8oo-1000 Euro bei freier Kost und Logis? Ich dachte, man wollte von Seiten der Regierung den Pflegeberuf attraktiver machen?!

     

    Wozu wird dieser Vorschlag wohl führen? Man macht den Pflegeberuf noch unattraktiver als er ohnehin schon ist(Stichworte: Bezahlung und die eigene Gesundheit ruinieren) und dann wundert man sich, warumm sich niemand für Pflegeberufe begeistern kann...mysteriös, das ;)

     

    Und wie stellt man sicher, dass die Altenpfleger nicht endgültig in die Armut getrieben werden? Wie lange wird es wohl dauern, bis Begehrlichkeiten aufkommen, diese Regelung auszuweiten, auf andere Formen der Pflege?

     

    Was sind denn das für Berufsaussichten? Miese Bezahlung, die Gewissheit, dass man sich krumm buckeln darf(im wahrsten Sinne des Wortes)und dann soll man 24/7 auf Abruf bereit stehen für die psychisch wie physisch belastende Pflege von alten Menschen? Ich frage mich echt, wie bei solchen Arbeitsverhältnissen dienotwendigen Ruhezeiten eingehalten werden sollen. Wie will der Staat sicher stellen, dass die Pflegekräfte nicht ausgebeutet werden? Sie sind finanziell und wohnungstechnisch abhängig von ihren privaten Arbeitgebern(von denen wohl die wenigsten Arbeitsrecht studiert haben) und dann gibt es da noch die Sprachbarriere bei den meisten Nicht-EU-Ausländern.

     

    Diese Regelung wäre ein bürokratischer Alptraum und kopntraproduktiv für das eh miese Image der Pflegebranche.

  • E
    EuroTanic

    Und wieder soll ein unmenschlicher Niedriglohnsektor etabliert werden. Skalvenarbeit wird legalisiert. Anstatt die Arbeit legal UND anständig zu bezahlen sollen die kriminellen Sklavenhalter geschont und mit staatlicher Deckung dann ganz offiziell Sklavenhalter werden.

  • C
    Caro

    Für zwischen 800-1000 Euro sowie Kost und Logie kann man auch gut deutsche Arbeitslose verpflichten, im schlimmsten Fall andere EU-Bürger.

    NICHT noch mehr Nicht-EU-Bürger!