Krach im Schlafzimmer: Auch Frauen schnarchen
Das Klischee: nur Männer schnarchen. Doch auch Frauen sind davon betroffen, nur zugeben will es fast niemand. Dabei müssten die meisten ärztlich behandelt werden.
Für Ulrike Werner begann früher jeder Morgen mit Qualen. Völlig übermüdet schleppte sie sich zur Arbeit, trank literweise Kaffee, um durch den Tag zu kommen. Nachts wachte sie ständig von ihrem eigenen Schnarchen auf, wälzte sich hin und her. Auch ihr Mann rang um erholsamen Schlaf. Damit er einschlafen konnte, wartete er im Wohnzimmer auf das knappe Zeitfenster, in dem es mal nicht rasselte, knatterte und dröhnte im Schlafzimmer.
Irgendwann vor zwölf Jahren, als Ulrike Werners Angst davor, aus Erschöpfung am Steuer einzuschlafen, und die Magenschmerzen von dem vielen Kaffee immer größer wurden, suchte sie schließlich ärztliche Hilfe. Werner ist eine von mehr als acht Millionen Frauen in Deutschland, die unter Rhonchopathie leiden - chronischem Schnarchen.
"Frauen fällt es offenbar schwerer, über ihr Schnarchen zu sprechen, als Männern", meint Hans Grundig, Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Leiter des Schnarchzentrums am Klinikum Ernst-von-Bergmann in Potsdam. An die 25 Patienten kommen jeden Mittwoch in seine Schnarchsprechstunde - überwiegend Männer. "Schnarchen wird in der Gesellschaft immer noch als männliches Problem gesehen", sagt der Experte. Denn schnarchende Frauen gelten als unerotisch, kaum eine Frau möchte sich öffentlich als Schlafzimmerterroristin outen. Dabei lärmen beide Geschlechter fast gleich häufig: Bis zu 40 Prozent aller Frauen ab 45 Jahren schnarchen, bei den Männern sind es 50 bis 60 Prozent.
Doch wenn Frauen mit ihrem Problem nicht rausrücken, kann das schwerwiegende Folgen haben: "Jeder, der schnarcht, sollte zum Arzt gehen und das abklären lassen", meint Grundig, "denn um die 90 Prozent aller Schnarcher und Schnarcherinnen müssen behandelt werden." Dass Werner ihr scheinbar unerotischer Makel nicht peinlich war, könnte ihr sogar das Leben gerettet haben. Sie leidet nämlich unter einer besonders gefährlichen Form des Schnarchens, der Schlafapnoe.
Dieser Artikel ist aus der aktuellen Sonntaz vom 24. Juli 2010 - ab Sonnabend gemeinsam mit der taz am Kiosk erhältlich oder direkt an Ihrem Briefkasten.
Werners Atmung setzte nachts immer wieder komplett aus, Gehirn und Herz bekamen in der Zeit keinen Sauerstoff. Nach dem unfreiwilligen Luftanhalten folgte meist ein lauter Erlösungsschnarcher. Schlafapnoepatienten sind wegen dieser Atemaussetzer viel stärker gefährdet, Bluthochdruck zu entwickeln. Damit steigt auch ihr Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko. "Ich hatte teilweise hundert Aussetzer die Nacht von bis zu eineinhalb Minuten", erzählt Werner. Doch nicht nur Schlafapnoepatienten können langfristig gesundheitliche Schäden bekommen: Lange unbehandelt, drohen jedem Schnarcher Probleme mit Herz und Kreislauf.
Für das störende Geräusch beim nächtlichen Luftholen kann es vielerlei Gründe geben. Bei Männern wie Frauen sind das dieselben: Generell blockiert immer irgendetwas die Atemwege, sodass die Luft auf dem Weg durch den Schlund in die Lunge das Gaumenzäpfchen oder Schleimhäute zum Flattern zwingt und dadurch rasselnde Laute verursacht. Bei den meisten Menschen ist einfach zu viel Masse im Halsbereich, die der Luft den Weg versperrt. Übergewichtige schnarchen also tatsächlich besonders häufig, auch Werner hat zu viel Gewicht.
Mit zunehmendem Alter werden Gewebe und Muskeln schlaffer, denselben Effekt verursachen Alkohol und Antidepressiva: Die Zunge rutscht in den Rachen, verstopft den Schlund - und da ist es wieder, das nervige Geräusch. Manchmal kann auch eine besonders große Zunge am Schnarchen schuld sein. Bei Kindern sind oft übergroße Mandeln der Auslöser. In diesen Fällen setzt Schnarchmediziner Grundig dem Lärm mit einer Operation ein Ende.
Von allen im Handel erhältlichen Schnarchmittelchen hält er jedoch nicht viel: "Schnarchpflaster, -cremes und Antischnarch-Nasensprays helfen nachweislich überhaupt nicht." Grundig verordnet am häufigsten Beatmungsgeräte oder Bissschienen, je nach Ursache. "Manchmal reicht als Therapie auch das, was wir Schlafhygiene nennen: kein Alkohol vor dem Schlafengehen, nicht zu spät essen, und vor allem abnehmen."
Schnarchpatienten, die nicht gerade an Schlafapnoe leiden, empfiehlt Grundig noch ein anderes Mittel: Didgeridoo spielen. Schweizer Studien belegen, dass das regelmäßige Spielen auf dem Holzinstrument Schnarchen signifikant verringert. Durch die Blastechnik wird die Atemmuskulatur trainiert - so werden die Muskeln im Alter weniger schlaff und versperren der Luft nicht mehr geräuschvoll den Weg.
Werner schläft nun seit fast sechs Jahren mit einem Beatmungsgerät neben dem Bett. Über eine Maske bekommt sie mit Überdruck Luft in die Nase gepresst. So ist sichergestellt, dass sie immer genug bekommt. Seither schläft Werner wieder durch, fühlt sich morgens frisch und erholt. Das Gerät macht ein wenig Lärm, "aber lange nicht so viel, wie ich früher gemacht habe". Jetzt hört sie ab und zu sogar ihren Mann "schnurcheln".
Werner hat auch einen Weg gefunden, mit ihrem scheinbaren Makel umzugehen: Sie spricht darüber. Zusammen mit ihrem Mann vermietet sie Wohnmobile, oft wollen Kunden die Betten möglichst weit auseinander haben, um ihren schnarchenden Partner nicht zu hören. "Das zuzugeben ist schon immer ein Stück weit Outing für die Leute." Werner erzählt dann schnell von ihren eigenen Schnarchproblemen, und die Mieter reagieren oft erleichtert. So hat sie schon viele dazu überredet, zum Arzt zu gehen.
Auch an das so unerotische Beatmungsgerät hat sich Werner gewöhnt: "Bei Erotik bin ich ja wach, da brauch ich das Ding nicht."
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