Krabbenfischer gehen auf die Barrikaden

Nach der Sperrung des Schiffsverkehrs in drei Seehundsrastgebieten im Wattenmeer durch den schleswig-holsteinischen Umweltminister fürchten 130 Fischer um ihre Existenz / Regierung drehe „an der billigsten Schraube“ / Kutterkapitän kündigt Berufsaufgabe an  ■  Aus Husum Martina Keller

Die Krabbenfischer der schleswig-holsteinischen Westküste fürchten um ihre Fanggründe. „Das ist der Anfang vom Ende“, kommentiert Hermann Kock die Sperrung von drei Seehundsrastgebieten im Wattenmeer. Kock, Landesvorsitzender der Krabbenfischer, sieht in dem zeitlich begrenzten Befahrensverbot den ersten Schritt, um die Fischer aus der ertragreichen und intensiv genutzten Zone 1 des Nationalparks Wattenmeer zu vertreiben. Das vom Bundesverkehrsminister angeordnete Befahrensverbot war am Dienstag durch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt worden. Dort hatte die Landesregierung Schleswig-Hostein gegen eine einstweilige Verfügung geklagt, die die Fischer erstritten hatten.

Der Kieler Umweltminister Bernd Heydemann ist denn auch für die Fischer zu Zeit ein rotes Tuch: „Wenn der Minister sich profilieren will, soll er dort anfangen, wo die Verursacher des Robbensterbens zu finden sind“, sagt der Husumer Muschelfischer Günther Cunze. Nach seiner Ansicht sollte die Dünnsäureverklappung sofort eingestellt werden. Cunze wirft dem Minister vor, einen bequemen Weg gewählt zu haben: „Mit den wenigen Fischern ist sicher leichter umzuspringen als mit Kronos Titan.“

Etwa 130 Fischer leben nach Auskunft von Kutterkapitän Hans Gerhard Rohde an der Westküste vom Krabbenfang. 20 bis 30 Kutter seien direkt durch das Befahrensverbot betroffen, weil sie hauptsächlich in den jetzt gesperrten Gebieten fischen: dem „Wesselburener Loch“ vor der Dithmarscher Küste, dem Bereich Jarpsand/Norderoogsand und Süderoogsand im friesischen Wattenmeer und dem Bereich der Knobsände vor Amrum. Diese Gebiete sind drei von 16 Teilzonen der Schutzzone 1 des Nationalparks und machen neun Prozent der befahrbaren Fläche des Wattenmeers aus. 52 Prozent der neugeboreren Seehunde sind nach Angaben des Umweltministeriums dort zur Welt gekommen.

Paul-Hermann von Holdt, Fischer auf Hallig Hooge, hat in dem gesperrten Gebiet nach eigenen Worten bislang 90 Prozent seiner Erträge gefischt. Er will im Monat August auf andere Gebiete ausweichen. Dies heißt, den Fang mit anderen Fischern zu teilen. Auf mindestens 15.000 Mark schätzt von Holdt den daraus resultierenden Einnahmeverlust - gut die Hälfte seines normalen Monatsumsatzes.

„Wir werden im nächsten Jahr mit der Fischerei aufhören, wenn es bei dieser Regelung bleibt“, kündigt der Kutterkapitän an. Die kleine Hooger Flotte sei besonders hart betroffen, weil sie bei einem dauerhaften Befahrensverbot ihren Standort verlegen müsse: Der Weg in andere Fanggebiete führe durch die gesperrten Regionen.

Umweltminister Heydemann hat unterdessen mitgeteilt, daß es bei dem Befahrensverbot auch um den Aufbau von Regenerations - und Schutzzonen gehe. Nach Aussage des Umweltministers würden Ruhezonen im Wattenmeer langfristig gute Aufwuchsstrukturen bieten.

Fischerei-Freizonen sind auch nach Ansicht des World-Wide -Found for Nature (WWF) im Wattenmeer dringend nötig. Ganz anderer Meinung ist dagegen der Wattenmeersprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Rüdiger Kock - zugleich Geschäftsführer der Fischergemeinschaft Tönning. „Ich finde es traurig, daß Heydemann das Angebot abgelehnt hat, über umweltschonendere Fangmethoden zu sprechen“, bedauert Kock. Statt dessen drehe der Minister „an der billigsten Schraube“, die ohne Lobby in den Parteien sei.

Kock beklagt insbesondere, daß die „Seehund-Peepshows“, Ausflugfahrten der Reedereien zu den Seehundsbänken, weiter erlaubt seien, da der Minister in der Zone 2 und 3 des Nationalparks keine Eingriffsmöglichkeiten habe. Die Reedereien fahren laut Kock nahe an die Seehundsbänke heran, weil sie unter dem Druck stünden, ihren Kunden etwas zu bieten. Die Fischer würden solche Manöver vermeiden. Das Lüneburger Urteil ist nach Auskunft des Umweltministeriums rechtlich nicht anfechtbar, doch die Fischer wollen politisch „Putz“ machen: „Wir werden auf die Barrikaden gehen“, kündigte Hermann Kock an. Für's erste hat er seine Krabbenfischer-Kollegen am Sonnabend zu einer Vorstandssitzung geladen.