Kosten ungleich verteilt: Arme Länder sollen die Ostsee retten
In zehn Jahren soll es der Ostsee wieder gut gehen. Doch das kostet – und die finanziellen Lasten sind ungleich verteilt. Arme Länder wie Polen müssten draufzahlen.
![](https://taz.de/picture/284791/14/ostseepolemn.20110104-16.jpg)
STOCKHOLM taz | Das Unmögliche soll 2021 geschafft sein. Bis dahin soll die schwerkranke Ostsee wieder ein gesundes Meer sein. Das sieht jedenfalls ein Aktionsplan der Helcom vor, der zwischenstaatlichen "Helsinki-Kommission" der neun Anrainerstaaten und der EU für den Meeresschutz im Ostseeraum.
Das ist ein ehrgeiziger Plan angesichts der Tatsache, dass die sauerstofffreien "Todeszonen" in keinem anderen Meer so ausgebreitet sind wie in der Ostsee. Sie umfassen mittlerweile ein Siebtel des Meeresbodens, Tendenz wachsend: Kein einziges Mal in den zehn Jahren, in denen entsprechende Messungen vorgenommen wurden, hatten schwedische ForscherInnen so niedrige Sauerstoffwerte im Ostseewasser gemessen wie im Herbst des vergangenen Jahres, meldete kürzlich eine Studie des Wetterforschungsinstituts SMHI.
Verantwortlich hierfür sind primär in das Meer eingeschwemmte Düngemittel, die eine zu große Nährstoffsättigung des Ostseewassers verursachen. Dadurch wachsen übermäßig Algen, die bei ihrer Verrottung dem Wasser Sauerstoff entziehen. Der Helcom-Aktionsplan baut deshalb auch zu einem großen Teil auf Maßnahmen zur Vermeidung dieser Nährstoffzufuhr. Doch die sind mit einem Preisschild von Milliarden Euro nicht nur teuer. Die Belastungen für die einzelnen Anrainerstaaten sind auch sehr ungleich verteilt. Während reiche Anrainerländer wie Deutschland, Schweden und Finnland relativ billig wegkommen, liegt die Hauptlast auf Polen und dem Baltikum.
"Gerecht" ist das, wenn man vom Verursacherprinzip ausgeht: Wer verunreinigt, soll auch zahlen. Doch legt dieses Prinzip gleichzeitig finanzielle Lasten auf die Schulter jeder Polin und jedes Litauers, die eine Verwirklichung des Aktionsplans - dieser ist nicht mehr als eine "Empfehlung" - unwahrscheinlich machen. Müsste rechnerisch zu der Helcom-Vision jeder Deutsche mit 12 und jeder Finne mit 4 Euro beitragen, wäre diese Zahl für Polen 94, für Lettland 52 und für Litauen sogar 106 Euro. Diese drei Staaten sollen zusammen mit Estland und Russland 94 Prozent der Kosten für eine Verminderung der Nährstoff- und Schadstoffzufuhr in die Ostsee aufbringen.
So eine finanzielle Belastung sei nicht nur unrealistisch, sondern auch ungerecht, meint Markku Ollikainen, Professor für Umweltchemie an der Universität Helsinki. Wollten die Ostseeanrainer ihr Binnenmeer retten, müsste der Ausgangspunkt solidarischer sein: "Polen wird einen solchen Plan nicht erfüllen. Die Lasten müssen anders verteilt werden, wenn man zu einer bindenden Übereinkunft kommen will." Und Ollikainen gibt ein Beispiel: Wenn St. Petersburg eine neue Kläranlage baue, habe eigentlich nicht Russland den größten Nutzen, sondern aufgrund der vorherrschenden Meeresströmungen Finnland, das dann dieses Abwasser nicht mehr vor die Küste geschwemmt bekomme. Helcom habe sich von ökologischen Wunschvorstellungen leiten lassen, aber die politischen Realitäten übersehen.
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