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■ Kosovo: Drohung mit Den Haag ist eine stumpfe Waffe gewordenKeine Angst vor Strafe

Wie schon in Bosnien hat die serbische Soldateska nun im Kosovo freie Hand bekommen, gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. Wie in Banja Luka 1992, als vor allem Intellektuelle, Rechtsanwälte und Journalisten terrorisiert und in KZs abtransportiert wurden, ist nun im Kosovo die intellektuelle Führungsschicht ins Visier des Terrors geraten. Dieses Ziel wurde schon vor Jahren in radikalen Kreisen formuliert, unter anderem von Vojislav Šešelj und Arkan. Die vollständige ethnische Säuberung beginnt damit, die Köpfe der bekämpften Volksgruppe abzuschlagen. Die Zeitung koha ditore ist verwüstet, der bekannte Intellektuelle und Sprecher der Delegation von Rambouillet, Veton Suroi, verschwunden, Rechtsanwalt Berisha mit zweien seiner Söhne hingemordet. Hunderte von Menschen sollen es schon sein, wer kann sie aber zählen? Niemand ist ja mehr dort, der über die Verbrechen berichten könnte. Die Bevölkerung ist von der Außenwelt abgeschnitten.

Angesichts dieses Dramas versucht die US-Regierung, die Täter einzuschüchtern. Sie droht neben der Phase II der Luftschläge mit dem internationalen Gerichtshof in Den Haag. Jeder würde der Gerechtigkeit zugeführt, lautet jetzt die Drohung. Als könnte dies die Täter von heute, die teilweise die Täter von gestern sind, noch abschrecken.

Nein, die Drohung mit Den Haag zieht leider nicht mehr. Denn die Erfahrung dieser Extremisten ist, daß Den Haag eine stumpfe Waffe blieb. Nach all den Jahren, nach all den Untersuchungen, nach allen geöffneten Massengäbern in Bosnien-Herzegowina sind nur wenige Täter verhaftet worden. Die Köpfe des Terrors, in Bosnien Karadžić und Mladić, aber auch Arkan und Šešelj, befinden sich nach wie vor auf freiem Fuß. Und viele, die in Bosnien das Fußvolk des Terrors bildeten, konnten sich damals ohne Problem nach Serbien absetzen.

Mit ihrem Zögern hat die internationale Gemeinschaft die abschreckende Wirkung des Den Haager Gerichtshofs selbst minimiert. Das soll aber nicht heißen, daß nach diesem Krieg wieder die meisten Mörder ungeschoren bleiben. Erich Rathfelder

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