Korruptionsverdacht in Spanien: Für die Konservativen wird es eng
Jetzt muss auch Regierungschef Rajoy aussagen. Die Korruption in Partei- und Staatsapparat ist allzu offenkundig.
In der Causa „Gürtel“ – so benannt nach der Übersetzung des Nachnamens des Hauptangeklagten Francisco Correa – geht es um die systematische Finanzierung von Rajoys Regierungspartei PP mit Geldern aus der Korruption im Immobiliensektor, aber auch bei Geschäften mit Gemeinde- und Regionalverwaltungen. Wann genau Rajoy vorgeladen wird, steht noch nicht fest.
Das gilt nicht für seine Parteikollegin Esperanza Aguirre. Die ehemalige Chefin der Madrider Regionalregierung (2003 –2012) muss am heutigen Donnerstag im gleichen Verfahren als Zeugin vor dem obersten Strafgerichtshof, der Audiencia Nacional, in Madrid erscheinen. In ihrer Zeit soll die PP alle regionalen Wahlkämpfe mit Korruptionsgeldern finanziert haben.
Ihre damalige Landesregierung nahm Unternehmen aus dem Umfeld Correas für rund 7 Millionen Euro unter Vertrag. Hinzu kamen lukrative Geschäfte mit Rathäusern überall in der Region, immer zu völlig überhöhten Preisen. Ein Teil der Gelder floss dann als „Kickback“ an die Partei.
Fake-News inklusive
Aguirres Vize und von 2012 bis 2015 Nachfolger an der Spitze der Regionalregierung, Ignacio González, wurde am Mittwoch festgenommen. Die Ermittlungsrichter werfen ihm vor, mit Geldern der regionalen Wasserversorgung Canal Isabel II zu absurd überhöhten Preisen Unternehmen in Lateinamerika aufgekauft zu haben. Auch dieses Geld floss, so der Verdacht, teilweise in seine Taschen, teilweise in die Kasse der PP. Mit millionenschweren Werbekampagnen sorgte die Wasserbehörde dafür, dass die Presse der Regierung Aguirre wohlgesonnen war. Im Internet wurden sogar „Nachrichtenwebs“ eingerichtet, die nur eine Aufgabe hatten: die Verdienste der Konservativen zu preisen und die Opposition zu kritisieren.
Doch damit nicht genug. Anfang des Monats musste der Regierungschef der Region Murcia, Pedro Antonio Sánchez, zurücktreten, nachdem dort ein Gericht Ermittlungen gegen ihn einleitete. Es geht um Korruption im Bausektor in seiner Zeit als Bürgermeister eines 15.000-Seelen-Ortes.
Und ein weiterer enger Vertrauter Rajoys, der ehemalige Wirtschaftsminister und spätere geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Rodrigo Rato, steht derzeit vor Gericht. Er soll im Amt Millionen über Konten in Steuerparadiesen gewaschen und Staatsaufträge an eigene Unternehmen vergeben haben. Für die großangelegte Bereicherung an der Spitze der verstaatlichten Krisenbank Bankia wurde Rajoys Vorzeigeminister Rato bereits zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
Allein das Netzwerk „Gürtel“ hat – so Berechnungen der Presse – knapp 700 Millionen Euro beiseitegeschafft. Correa bereicherte sich persönlich mit 119 Millionen Euro. Eine weitere Schlüsselfigur dieser Affäre, der ehemalige PP-Buchhalter Luis Bárcenas, versteckte rund 90 Millionen Euro auf ausländischen Konten. Bárcenas verteilte großzügig Umschläge mit Schwarzgeld an wichtige Parteiführer. Auch Rajoy soll solche Zuwendungen erhalten haben. Als die Polizei 2013 die PP-Geschäftsstelle in Madrid durchsuchte, fand sie zwar die Computer von Bárcenas. Die Festplatten jedoch waren herausgenommen und mehrmals gelöscht und anschließend mit roher Gewalt zerstört worden. Auch dazu wird Rajoy wohl Rede und Antwort stehen müssen.
Während die PP in einem Kommuniqué erklärt, dass die Vorladung Rajoys „weder nützlich noch erforderlich“ sei, begrüßen die beiden Oppositionsparteien, die sozialistische PSOE und Podemos, die Entscheidung und verlangen eine parlamentarische Fragestunde zum Thema „Gürtel“.
Die rechtsliberale Ciudadanos, die sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben hatte, will die Minderheitsregierung Rajoy stützen, solange dieser nicht angeklagt wird.
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