Korruptionsskandal in Österreich: Telekoms schmutzige Geschäfte
Der Konzern soll seinen Aktienkurs zugunsten der Manager manipuliert und Politiker bestochen haben. Die konservative ÖVP ist gegen eine "zu offensive" Aufklärung.
WIEN taz | Was vor einem Monat als Wirtschaftsskandal begann, hat sich zu einer Staatsaffäre in der österreichischen Politik entwickelt, die einige Frontfiguren der schwarz-blauen Regierung unter Wolfgang Schüssel hinter Gitter bringen könnte. Die teilstaatliche Telekom Austria habe nicht nur den Aktienkurs zugunsten der Manager manipuliert, sondern, so ein Kronzeuge, auch Politiker bestochen. Allen voran Hubert Gorbach, der als Vizekanzler und Infrastrukturminister von 2003 bis 2007 das BZÖ vertrat, die 2005 von Jörg Haider gegründete FPÖ-Abspaltung. Aber auch heutige FPÖ-Politiker und ÖVPler werden genannt.
Hubert Gorbach, der vergangene Woche wegen dieser Vorwürfe aus seiner Partei ausgeschlossen wurde, soll im Jahre 2006 die sogenannte Universaldienstverordnung zugunsten der Telekom reformiert haben. Als Gegenleistung bekam er den Übergang von der Regierung in die Privatwirtschaft durch die Bezahlung einer Sekretärin versüßt - mit stolzen 264.000 Euro.
Das behauptet zumindest Gernot Schieszler, Exmanager der Telekom, der die Affäre ins Rollen gebracht hat. Bei einer Hausdurchsuchung stellte die Staatsanwaltschaft ein Tagebuch Schieszlers sicher, in dem er lapidar notiert hatte: "Der Vorstand besticht die Politik." Schieszler hat sich als Kronzeuge angeboten und ausgepackt. Sein Anwalt meint, es sei erst ein Bruchteil der relevanten Information bekannt geworden. Telekom-Generaldirektor Hannes Ametsreiter will reinen Tisch machen. Auch Zukäufe in Bulgarien und Weißrussland sollen auf Korruption durchleuchtet werden.
Daher wird auch die damalige Kanzlerpartei ÖVP nervös. So muss man die Intervention des Kabinettschefs von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner deuten, der die Telekom rügte, sie betreibe ihre Aufklärung "zu offensiv", und "unangenehme Konsequenzen" androhte.
Verdacht gegen Ex-Innenminister
Die ÖVP muss sich vorwerfen lassen, dass sie die Kursmanipulationen der Telekom damals nicht entdeckte. Just am Stichtag, der für die Höhe der Managerboni ausschlaggebend war, schnellte 2003 der Aktienwert des zu 28 Prozent staatlichen Unternehmens in die Höhe. Die dem Finanzministerium nachgeordnete Finanzmarktaufsicht mochte keinen Anlass für eine Überprüfung dieser Merkwürdigkeit erkennen. Finanzminister war der von der ÖVP bestellte Karl-Heinz Grasser, gegen den die Justiz bereits wegen verschiedener Affären ermittelt.
Unter Verdacht steht auch der ehemalige ÖVP-Innenminister Ernst Strasser, der 2003 eine hohe Strafzahlung auf Steuerzahlerkosten in Kauf nahm, um einen Auftrag für die Einrichtung eines digitalen Behördenfunknetzes stornieren und eine Gruppierung um Motorola, Alcatel und Telekom zum Zug kommen zu lassen. Laut Schieszler bekam der Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Poully für diese Vermittlung 1,1 Millionen Euro. Mensdorff, der Regierungsmitglieder gerne zur Jagd nach Schottland einlud, ist mit der ehemaligen ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat verheiratet.
ÖVP-Parteichef und Vizekanzler Michael Spindelegger sieht in seiner Partei keinen Aufklärungsbedarf: "Aus dem Telekom-Skandal lasse ich mir keinen ÖVP-Skandal machen", protestierte er im Fernsehen. Ernst Strasser war bereits im März im Zuge eines Lobbyskandals im EU-Parlament das Parteibuch entzogen worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern