Korruptionsskandal in Brasilien: Der Ölriese und seine „Autowäsche“
Petrobras hat Schmiergelder für die Regierungspartei PT gesammelt. Der Vorstand des Staatskonzerns musste gehen. Folgt nun Präsidentin Rousseff?
RIO DE JANEIRO taz | Schwere Zeiten für Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff: Nicht einmal zwei Monate nach Beginn ihrer zweiten Amtszeit steht ihre Regierung vor einem Scherbenhaufen. Auslöser der Krise ist ein Korruptionsskandal beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras. Die monatelangen Ermittlungen kosteten Rousseff schon im vergangenen Oktober fast den Wahlsieg. Jetzt sinken die Beliebtheitswerte der Präsidentin rapide, die Koalition bröckelt und die Opposition erwägt sogar einen Prozess zur Amtsenthebung.
Anfang Februar rang sich die Präsidentin durch, ihre enge Freundin und Petrobras-Direktorin Maria das Graças Foster sowie den gesamten Vorstand des Konzerns zu entlassen. Da war die Krise des einstigen Prestige-Unternehmens und wichtigsten Energiekonzerns Lateinamerikas schon zu einem Staatsskandal geworden, der zunehmend auch die regierende Arbeiterpartei PT in Mitleidenschaft zieht.
Vor gut einer Woche wurde PT-Schatzmeister João Vaccari Neto aufs Präsidium zitiert, um zu seiner Verwicklung in Schmiergeldzahlungen Stellung zu nehmen. Zuvor war die Aussage eines ehemaligen Petrobras-Managers bekannt geworden, der als Kronzeuge die Regierungspartei beschuldigte, seit 2003 bis zu 200 Millionen US-Dollar illegaler Spenden von Petrobras erhalten zu haben.
Ermittlungsrichter Sergio Moro schreckt weder vor hohen Politikern noch vor steinreichen Unternehmern zurück. Im Rahmen der „Autowäsche“ getauften Ermittlungen sind bereits zahlreiche ranghohe Petrobras-Manager festgenommen worden, die Bestechungsgelder erhalten haben sollen. Vor drei Monaten traf es leitende Angestellte der großen Bauunternehmen, einige von ihnen sitzen seitdem hinter Gittern. Ihnen wird aktive Bestechung vorgeworfen.
Gegen Rousseff-Regierung
Noch im Februar wird erwartet, dass auch die Nutznießer der illegalen Geschäfte namentlich genannt und dann auch vor Gericht gestellt werden. Dabei dürfte es sich vor allem um Politiker der Regierungskoalition von Rousseff und ihres Vorgängers Luis Inácio Lula da Silva handeln. In den Kronzeugenaussagen war die Rede zumeist von Politikern der PT, des wichtigsten Koalitionspartners PMDB und des konservativen Partners PP.
Immer wieder sickern Teile der Ermittlungen an die Presse durch, die die Informationen mit gutem Timing – aber vor der letzten Präsidentschaftswahl noch ohne Erfolg – gegen die Mitte-links-Regierung von Rousseff einsetzt.
Offenbar gehen die Ermittler von einem Kartell großer brasilianischer Bauunternehmen aus, die sich durch Bestechung zahlreiche lukrative Petrobras-Aufträge sicherten. Der Erdölkonzern zahlte den Unternehmen wissentlich überhöhte Preise – dieses Geld floss schließlich an Petrobras zurück oder in Form von illegalen Parteispenden an die Politik.
Nicht der erste Korruptionsskandal in Brasilien
Bereits vor gut zwei Jahren hatte ein anderer Korruptionsskandal, genannt „Mensalão“, die PT-Regierung erschüttert. Nach Ermittlungen zu Veruntreuung öffentlicher Gelder und illegaler Parteienfinanzierung wurden Ende 2013 über 20 Politiker und Unternehmer verurteilt, darunter einige einst machtvolle PT-Größen. Auch diesmal scheint die Justiz, die in der Vergangenheit nie Interesse an Korruptionsermittlungen gegen die damals rechte Regierung zeigte, nicht locker zu lassen.
Unklar ist allerdings die Stoßrichtung der Anklage im Petrolão-Skandal. Opposition und Medien setzen darauf, dass wie beim Mensalão die PT und ihre eventuelle Parteienfinanzierung ins Zentrum des Skandals gerückt wird. Diese Linie verfolgen auch die Anwälte der inhaftierten Bauunternehmer: Sie sehen ihre Mandanten als Opfer von Politikern, die sie geradezu zur Korruption gedrängt hätten.
Im Gegensatz dazu scheint Richter Moro eher die Unternehmer selbst im Blick zu haben. Die Ermittler interessieren sich für den Weg des Geldes zwischen Bestechern und Bestechlichen. Ein solches Ermittlungsergebnis dürfte in der Wirtschaft noch weit mehr Unruhe auslösen als unter den Politikern, die hinter vorgehaltener Hand gerne zugeben, dass in Brasilien alle Strömungen immer schon illegale Parteienfinanzierung betrieben haben.
Dilma Rousseff ist aufgrund des Skandals in der Defensive. Ihre Beliebtheitsgrad sank vergangene Woche von 42 auf 23 Prozent. Im Parlament, in dem die Rechte bei den letzten Wahlen eindeutig die Oberhand gewonnen hat, steckt ihre Regierung eine Niederlage nach der anderen ein. Und die wichtigste Oppositionspartei PSDB, deren Kandidat Aécio Neves Rousseff im Oktober nur knapp unterlag, hofft aus dem Petrolão Profit zu schlagen. Sie überlegt immer lauter, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff einzuleiten.
Jüngst kam ein von ihr in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten zu dem Schluss, dass dieser Weg durchaus Erfolg hätte. Denn Rousseff war von 2003 bis 2010 Vorsitzende des Verwaltungsrats von Petrobras. Damals hätte sie das korrupte Netzwerk auffliegen lassen können.
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