Korruption in Sachsen: Aus Versehen Kopien von Akten geschreddert
Der Verfassungsschutz vernichtete Kopien wichtiger Unterlagen im Reißwolf. Die Originalakten sind nicht mehr auffindbar. Die Opposition verlangt nun den Rücktritt des sächsischen Innenminister Buttolo (CDU)
DRESDEN taz Dass im sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz heiße Papiere durch den Reißwolf gejagt wurden, ist seit drei Wochen bekannt. Der Geheimdienst selbst hatte am 1. Juni das Innenministerium darüber informiert. Es habe sich lediglich um Kopien von gerichtlichen Strafakten gehandelt, hieß es beruhigend. Strafakten, die aber im Zusammenhang mit Recherchen des Landesamtes über Korruption und mafiöse Strukturen in Sachsen standen. Dossiers dazu überstellte der Verfassungsschutz nach langer politischer Auseinandersetzung derzeit endlich an die Staatsanwaltschaft. Nun musste Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) einräumen, dass es sich bei der Aktenvernichtung um "menschliches Versagen aufgrund von Fehlinterpretationen" gehandelt habe. Auch die Originalakten seien teilweise unauffindbar.
Die Linksfraktion im Landtag forderte daraufhin den Rücktritt Buttolos und den von Justizminister Geert Mackenroth (CDU) gleich mit. "Beide Minister müssen die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft untergraben wird", sagte Fraktionschef Peter Porsch. Grüne, FDP und erste Pressekommentatoren äußerten sich ähnlich. "Der Innenminister hat seinen Laden nicht im Griff", urteilte der grüne Innenpolitiker Johannes Lichdi. Buttolo erklärte solche Forderungen gestern als "belanglos" und will im Amt bleiben. Den vertretungsweise amtierenden Verfassungsschutzpräsidenten Olaf Vahrenhold ließ er die Umstände der Aktenvernichtung erläutern.
Demnach hat ein Mitarbeiter des Landesamtes vor seiner Versetzung Ende April, also noch vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Datensammlung über kriminelle Netzwerke in Sachsen, die "Arbeitshilfen" vernichtet - immerhin 40 Aktenordner. Die Aktion beruhe auf einem Missverständnis, so Vahrenhold. Sie sei "so nicht in Ordnung", verstoße gegen hausinterne Weisungen und werde nach Fallprüfung möglicherweise disziplinarrechtliche Konsequenzen haben. "Die Aufklärungsarbeit wird dadurch in keiner Weise behindert", behauptete Christian Avenarius, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft. Er musste aber einräumen, dass zumindest Teile der Originalakten nach den geltenden Aussonderungsfristen bei den Gerichten ebenfalls bereits vernichtet wurden. Warum diese für den Verfassungsschutz offenbar bedeutsamen Akten nun für die Staatsanwaltschaft nicht mehr bedeutsam sein sollten, erklärte Avenarius nicht. Es seien aber Informationen in die zusammenfassenden Berichte des Verfassungsschutzes eingeflossen, die nun der Staatsanwaltschaft sukzessive übermittelt werden. Derzeit wird anhand der Aktenzeichen nach verbliebenen Originalakten gefahndet. Auch eine Rekonstruktion nach polizeilichen Tagebuchnummern wird erwogen.
Der Glauben an den schonungslosen Aufklärungswillen der sächsischen Regierung erhielt gestern einen weiteren Dämpfer. Die CDU verhindert ein Antikorruptionsregister, das vom Koalitionspartner SPD vorbereitet wurde. Anlass dafür war auch ein aufgedeckter Korruptionsskandal beim Bau der A 72.
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