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Korruption im GesundheitswesenStrafverschärfung fraglich

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr will mit neuen Regelungen den Einfluss der Pharmaindustrie auf die Mediziner eindämmen. Von der SPD hagelt es bereits Kritik.

Nicht immer ist die verschriebene Pille auch die beste. Bild: dpa

BERLIN dpa | Angesichts der Kritik am Einfluss der Pharmaindustrie auf Entscheidungen von Ärzten soll es neue gesetzliche Regeln und eine Selbstverpflichtung der Branche geben. Ob die von der Koalition geplante Möglichkeit, Korruption im Gesundheitsweisen besser bestrafen zu können, wirklich ins Gesetz kommt, ist allerdings fraglich.

Wenige Tage vor der geplanten Verabschiedung der Regeln gibt die SPD den Plänen des Gesundheitsministers Daniel Bahr (FDP) kaum noch eine Chance. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: „Ich bin selbst von diesem Gesetz nicht überzeugt.“

Er sei sehr pessimistisch, dass in der laufenden Wahlperiode noch ein Gesetz für diesen Bereich verabschiedet werde. Außerdem kritisierte er das Vorhaben des Gesundheitsministers, die entsprechenden Regelungen im Sozialgesetzbuch zu verankern. „Das Strafgesetzbuch wäre hier der richtige Platz gewesen.“

Pharmaindustrie für mehr Transparenz

In der Pharmaindustrie heißt es, unabhängig von solchen Gesetzesplänen solle es mehr Transparenz geben. Die Branche will ihre Zahlungen an Mediziner und Kliniken nennen. Den Anfang soll ein Kodex des europäischen Pharma-Dachverbands EFPIA machen, der an diesem Montag beschlossen wird.

Der Geschäftsführer der deutschen Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie, Holger Diener, sagte der Deutschen Presse-Agentur, Patienten sollten im Internet Informationen über die Zusammenarbeit ihres Arztes mit der Pharmaindustrie - Fortbildungen, Beraterverträge oder Referate - nachlesen können.

„Es geht auch darum, ob die Pharmaindustrie etwa Kongresse sponsert oder Spenden zum Beispiel an Kliniken richtet.“ Es sei ein großes Projekt. Erstmals sollten die Daten von 2015 im ersten Halbjahr 2016 veröffentlichet werden.

Zukunft ungewiss

CDU/CSU und FDP wollen an diesem Donnerstag zudem einen Entwurf zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen beschließen, gemeinsam mit dem Präventionsgesetz für mehr Gesundheitsvorsorge. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will die Regelungen bei der Bekämpfung von Betrug und Bestechung unter anderem in Arztpraxen im Sozialgesetzbuch verankern.

Der Bundesrat will aber schärfer dagegen vorgehen. Hamburg hatte dazu einen eigenen Entwurf eingebracht. Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen sollen als eigene Straftatbestände im Strafgesetzbuch als Paragraf 299a StGB eingeführt werden.

Insofern gilt es als wahrscheinlich, dass der Bundesrat das Gesetz der Koalition stoppt. Es ist zwar im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, aber wenn die rot-grüne Mehrheit in der Sitzung am 5. Juli den Vermittlungsausschuss anruft, könnte es in dieser Wahlperiode nicht mehr verabschiedet werden.

Dafür spricht auch eine Aussage Lauterbachs, das Gesetz überzeuge auch die Länder nicht. „Es ist auch nicht entsprechend verbessert worden.“ Darum habe die SPD mehrfach gebeten. Das Gesetz, wie es von der Koalition geplant sei, würde an der tatsächlichen Korruptionsanfälligkeit einer kleinen Gruppe von Ärzten nichts ändern.

Therapie mit Risiko

Vorangetrieben worden war die Debatte durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Sommer. Korruption niedergelassener Ärzte ist demnach nach geltendem Recht nicht strafbar - etwa die Annahme von Zuwendungen für die Verordnung bestimmter Arzneien.

Kritiker werfen der Branche vor, dass sie viele Medikamente auch mittels beeinflusster Ärzte breit in die Anwendung bringe, obwohl diese nicht für alle Patienten optimal sind - und womöglich sogar Risiken bergen.

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