Korruption bei der Fifa:
„Das ist ein großer Sumpf“
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Korruption bei der Fifa: „Das ist ein großer Sumpf“
Das amerikanische FBI hat die Schweiz um Hilfe bei den Ermittlungen gebeten. Die Fifa reagiert unaufgeregt und hält an ihren WM-Plänen fest.
Fifa-Mediendirektor Walter De Gregorio auf der Pressekonferenz am Mittwoch: „Herr Blatter ist entspannt.“
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Zürichdpa/ap/rtr |Nach der Festnahme von Funktionären des Fußball-Weltverbands Fifa wegen des Verdachts auf Korruption hat die Schweiz mehrere Konten gesperrt. Es handele sich um Bankverbindungen bei Schweizer Geldinstituten, über die mutmaßlich Bestechungsgelder geflossen sind, teilte das Bundesamt für Justiz in Bern am Mittwoch mit. Zudem sei die Beschlagnahme der Kontounterlagen angeordnet worden.
Die Festnahmen und Kontosperrungen erfolgten auf der Grundlage eines Rechtshilfeersuchens der amerikanischen Bundespolizei FBI, die gegen die Funktionäre ermittelt. Schweizer Behörden hatten am Morgen sieben teils hochrangige Fifa-Funktionäre festgenommen. Auch Fifa-Vize Jeffrey Webb ist darunter.
Außerdem eröffnete die Schweizer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren rund um die Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar. Im Zusammenhang damit wurden im Fifa-Hauptquartier in Zürich digitale Daten und Dokumente sichergestellt.
Das Bundesamt für Justiz teilte mit, US-Behörden verdächtigten die sieben festgenommenen Funktionäre, von 1990 bis heute mehr als 100 Millionen Dollar an Bestechungsgeldern im Zusammenhang mit Fußballturnieren in den USA und Lateinamerika angenommen und bezahlt zu haben. Die in einem Luxushotel Festgenommenen sollen in die USA ausgeliefert werden. Sie befänden sich in Auslieferungshaft. Insgesamt würden in dem Fall 14 Personen beschuldigt.
Systemfehler bei der Fifa
Fifa-Spitzenfunktionär Theo Zwanziger hält das juristische Vorgehen gegen den Fußball-Weltverband für überfällig. „Ich bin froh, dass endlich etwas passiert“, sagte der ehemalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes der Rheinischen Post.
Von der Fifa und ihrem Sepp
Undemokratisch, intransparent, korrupt, machtbesessen, ein Männerbund: Es gibt nur wenig, was man der Weltfußballorganisation Fifa nicht vorwerfen kann. Ihr Chef, Joseph (Sepp) Blatter, soll am Freitag wiedergewählt werden, damit sich daran nichts ändert. Menschliche Hybris lässt sich gut in der Form eines Märchens darstellen. Wohlan: Von der Fifa und ihrem Sepp (frei nach: Vom Fischer und seiner Frau in der Fassung der Gebrüder Grimm).
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Es war einmal eine Fifa und ihr Gemahl Blatter Sepp, die wohnten zusammen auf einem Bolzplatz, und die Fifa kickte dort alle Tage. Da fand sie einen großen Ball im Tor. Dieser war ein verwunschener Prinz und bat, nicht getreten zu werden. Als die Fifa zu ihrem Gemahl zurückkehrte, war er unzufrieden: „Hast du dir denn nichts gewünscht? Du hättest uns doch ein kleines Stadion wünschen können. Geh' noch einmal hin und rufe ihn.“
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Die Fifa wollte ihrem Gemahl nicht zuwider sein und ging hin. Der Rasen war ganz grün, der Ball kam angerollt und sagte: „Na, was will er denn?“ – „Ein Stadion.“ – „Geh' nur hin“, sagte der Ball, „er hat es schon.“ Da war der Blatter Sepp zufrieden. So ging das wohl acht Tage, da forderte er: „Höre, Fifa, das Stadion ist gar zu eng. Geh' hin zum Ball, er soll uns bis 2018 ein größeres Stadion in Russland schenken.“
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Als die Fifa zurückkehrte, war der Rasen fast gelb und nur noch ein wenig grün, und der Ball fragte: „Na, was will er denn?“ – „Ach“, sagte die Fifa halb betrübt, „er will in einem noch größeren Stadion in Katar leben.“ – „Geh' nur hin, es steht vor der Tür“, sagte der Ball. Auch da war der Blatter Sepp zufrieden.
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Am anderen Morgen aber wachte er auf und sagte: „Fifa, steh auf und guck einmal aus dem Fenster! Sieh, können wir nicht Kanzler oder Präsident des Landes werden? Geh' hin zum Ball, wir wollen Herrscher sein.“ – „Das ist nicht recht“, dachte die Fifa, ging aber trotzdem hin. Da war der Rasen ganz gelb und sandig, und der Ball fragte: „Na, was will er denn?“ – „Er will Herrscher sein.“ – „Geh' nur hin, er ist es schon“, sagte der Ball.
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Da ging die Fifa hin und da waren so viele Soldaten mit Pauken und Trompeten vor dem Stadion. Blatter saß am Ende einer langen Tafel, von Ministern umringt. „Ach, Sepp, was ist das schön, wenn du Herrscher bist! Nun wollen wir auch nichts mehr wünschen“, sagte die Fifa. – „Nein“, sagte der Blatter und ward ganz unruhig, „ich kann das nicht mehr aushalten. Geh' hin zum Ball, Herrscher bin ich, nun muss ich auch Kaiser werden.“
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Als die Fifa hinging, war ihr ganz bange, und als sie so ging, dachte sie bei sich: „Das geht nicht gut, Kaiser ist zu unverschämt, der Ball wird's am Ende müd'.“ Damit kam er an; da war der Rasen ganz sandig und holprig, fast wie auf der Bielefelder Alm. „Nun, was will er denn?“, fragte der Ball. „Ach, Ball“, sagte er, „der Sepp will Kaiser werden.“ – „Geh' nur hin“, sagte der Ball, „er ist es schon.“
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Da ging die Fifa hin, und als sie dort ankam, war das ganze Stadion von poliertem Marmor mit goldenen Figuren und goldenen Zieraten. Und als sie hineinkam, da saß der Blatter auf einem Thron, der war von einem Stück Gold, und war sechs Ellen hoch. „Sepp, bist du nun Kaiser?“ – „Fifa“, sagte er, „was stehst du dort? Ich bin nun Kaiser, nun will ich aber auch Papst werden; geh' hin zum Ball.“
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Da ging die Fifa hin und der Rasen war zu roter Asche geworden. „Nun, was will er denn?“, fragte der Ball. „Ach“, sagte die Fifa, er will Papst werden.“ – „Geh' nur hin, er ist es schon.“ Da ging sie heim und Sepp war in lauter Gold gekleidet und alle die Kaiser und die Könige lagen vor ihm auf den Knien und küssten ihm den Zoggeli. Da sagte die Fifa: „Sepp, nun sei zufrieden, jetzt bist du Papst, nun kannst du nichts mehr werden.“
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„Das will ich mir bedenken“, sagte der Blatter. Und als er morgens aus dem Fenster die Sonne so heraufkommen sah, dachte er, „kann ich nicht auch die Sonne und den Mond aufgehen lassen? Fifa“, rief er, „wach' auf, geh' hin zum Ball, ich will werden wie der liebe Gott.“ Da ging die Fifa hin und der Rasen war zum Schließfach einer Schweizer Bank geworden. „Nun, was will er denn?“, fragte der Ball. „Ach“, sagte die Fifa, er will werden wie der liebe Gott.“
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„Geh' nur hin“, sagte der Ball, „seine Gehilfen wurden gerade unter Korruptionsverdacht festgenommen. Ihr beide aber sollt zusammenbleiben.“ Und das sind sie auch bis auf den heutigen Tag.
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„Das ist ein großer Sumpf“, sagte Zwanziger, der noch Mitglied der Fifa-Exekutive ist. Das Problem sei allerdings nicht damit erledigt, die Wiederwahl des umstrittenen Fifa-Chefs Joseph Blatter am Freitag zu verhindern. „Der Fehler liegt im System der Fifa. Es können sich zu viele bedienen“, sagte Zwanziger.
Der 69-Jährige unterstützt auch weitreichende Ermittlungen zu den Vergaben der WM-Turniere 2018 und 2022 an Russland und Katar. „Es darf nichts unter den Teppich gekehrt werden“, forderte Zwanziger.
Blatter bleibt
Die Fifa lässt derweil wissen, dass die Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022 trotz der Korruptionsaffäre wie geplant in Russland und Katar ausgetragen werden sollen. Auch die Frage nach einem Rücktritt von Fifa-Präsident Sepp Blatter stelle sich nicht, da der Schweizer Verbandsmanager nicht von den Korruptionsvorwürfen betroffen sei, erklärte ein Fifa-Sprecher am Mittwoch in Zürich. Die für Freitag geplante Wahl des Verbandspräsidenten, bei der Blatter erneut antritt, werde trotz der Affäre stattfinden.
Die Europäische Fußball-Union Uefa hat „erstaunt und traurig“ auf die Ermittlungen und Festnahmen im Zuge des neuen Skandals um den Weltverband Fifa reagiert. Man warte „jetzt auf detaillierte Informationen“, teilte der Kontinentalverband am Mittwoch mit. Ein informelles Treffen des Uefa-Exekutivkomitees sollte am Nachmittag vor dem Europa-League-Finale in Warschau stattfinden.
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