Koreanische Eishockeyspielerin: Sie nannten sie Verräterin
Hwangbo Young floh von Nord- nach Südkorea. Das gemeinsame Olympiateam für Pyeongchang betrachtet die Eishockeyspielerin skeptisch.
Als ein nationaler Eishockeytrainer jedoch den Sportunterricht von Hwangbos Grundschule besucht, erkennt er ihr Talent – und weist die 12-Jährige in ein Sportinternat ein. „Wahrscheinlich wäre ich in Nordkorea eine erfolgreiche Eishockeyspielerin geworden“, sagt die heute 39-Jährige, „meine Jugend war privilegiert, der Sport hat mich in die Gesellschaft integriert.“ An ihrem Heimatland hatte sie nichts auszusetzen.
Doch ihr Vater, ein Parteimitglied seit frühester Jugend, hatte andere Pläne. Entlang der Grenze zu China stationiert, schnappte er regelmäßig Radioberichte über Südkorea auf – ein Land, das Wohlstand und Freiheit versprach. Nordkorea hingegen litt damals nach dem Fall der Sowjetunion unter der größten Hungersnot seiner Geschichte. Hwangbos Vater entschied, gemeinsam mit der Familie zu fliehen.
Seine Tochter weigerte sich zunächst, versteckte sich gar im Haus ihrer Tante. Erst durch elterlichen Zwang verließ sie das abgeschottete Land, dessen Grenzen zu China damals noch weitgehend offen standen: Mit ein paar Bestechungszahlungen an die Grenzsoldaten gelang der Familie die Flucht über den Tumen-Fluss.
An diesem kalten Februartag steht Hwangbo in einer Eishockeyarena in Ilsan, einem Seouler Vorort, wo sie Jugendliche mit körperlichen Beeinträchtigungen trainiert. Wenn sie auf ihr Leben zurückblickt, muss sie manchmal schmunzeln. Heute steht sie in einer bestens ausgestatteten Eisarena. In ihrer Jugend konnte sie nur zwei Monate im Jahr auf Eis trainieren. Wenn es kalt genug war, schütteten sie Eimer mit Wasser auf die zugefrorenen Felder. „Um ehrlich zu sein, waren die meisten von uns damit beschäftigt, irgendwie über die Runden zu kommen“, sagt sie.
Kapitänin der Nationalmannschaft
In Südkorea lebte Hwangbo zwar in materieller Sicherheit, doch ihren Traum von einer Eishockeylaufbahn hatte sie innerlich aufgegeben. Zumindest fast: An freien Nachmittagen fuhr sie auf Rollerskates entlang des Han-Flusses in Seoul. Durch Zufall traf sie in ihrer Kirchengemeinde auf einen Trainer, der sie ins örtliche Eishockeyteam einlud. Für die damals 21-Jährige war dies wie ein Erweckungserlebnis. „Wie verrückt hing ich mich in den Sport hinein, ich wollte alles geben“, sagt sie.
Hwangbo erkämpfte sich einen Platz in der Nationalmannschaft. Wenig später wurde sie gar Kapitänin. Frauen-Eishockey war im patriarchalen Südkorea um die Jahrtausendwende ein Nischensport. Seitdem ist viel passiert: Anlässlich der Winterspiele in Pyeongchang haben sich beide Koreas darauf geeinigt, ein gemeinsames Fraueneishockeyteam aufzustellen.
Am Sonntag trafen sie in ihrem ersten Freundschaftsspiel auf Schweden. Nach einem tapferen 1:3 gegen die auf dem Papier haushoch überlegenen Nordeuropäerinnen sagte Trainerin Sarah Murray: „Wenn man bedenkt, dass wir keine zwölf Tage vor Beginn der Winterspiele zusammengelegt wurden, haben wir große Fortschritte gemacht. Die Situation ist außerhalb meiner Kontrolle – wir versuchen, das Beste daraus zu machen.“ Für sie wie die Athletinnen selbst ist die sportdiplomatische Annäherung ein Opfer für den politisch gut gemeinten Zweck.
Als Verräterin betrachtet
Hwangbo Young hat das Spiel im Fernsehen verfolgt. Wirklich glücklich ist sie mit der Zusammenlegung der koreanischen Mannschaft nicht. Für sie geht es schließlich um den Sport. „Die Nordkoreanerinnen sind handwerklich einfach unterlegen“, sagt sie. Während der Asienspiele 2003 traf sie selbst mit der südkoreanischen Mannschaft auf Nordkorea: Viele der Spielerinnen erkannte sie wieder.
Alte Freundinnen aus ihrem Internat – dachte sie zumindest. Südkorea unterlag mit 0:10. Die wirkliche Niederlage erlitt Hwangbo jedoch nach dem Spiel. Beim Handshake stellte sie sich als Letzte an – um möglichst ein paar Worte mit ihren Kameradinnen von früher auszutauschen. Diese jedoch fuhren wortlos an ihr vorbei: „Sie haben mir den Handschlag verweigert, haben mich als Verräterin betrachtet. Damals wollte ich mich einfach nur in den Boden verkriechen“, erinnert sie sich.
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