: Kordas fünf Minuten
■ Petr Korda und Martina Hingis holen die Titel bei den Australian Open in Melbourne
Berlin (taz) – Erheblich unproblematischer als erwartet gewann Petr Korda gestern das Finale der Australian Open gegen den Chilenen Marcela Rios. Der schnelle 6:2, 6:2, 6:2-Sieg ließ dem Tschechen genug Energie, um nach dem verwandelten Matchball allerlei akrobatischen Schabernack zu treiben. Er schlug Räder, vollführte Scherensprünge und besuchte mit waghalsiger Kletterei Frau und Kind auf der Tribüne, bevor er den Siegespokal entgegennahm und die nicht gerade leichtgewichtige Trophäe stolz und ausdauernd in die Höhe reckte. Bereits am Tag zuvor hatte die Schweizerin Martina Hingis ebenso souverän mit 6:3, 6:3 ihr Finale gegen Conchita Martinez gewonnen.
„Hierauf habe ich eine lange, lange Zeit gewartet“, sagte der 30jährige Korda, der früher oft froh gewesen wäre, wenn er nach dem letzten Match eines solchen Turnieres ohne größere Mühe seinen Stuhl erreicht hätte. Korda ist einer der ausgeprägtesten Schmerzensmänner des Tennissports, der immer wieder von Verletzungen und Operationen an Wirbelsäule, Leiste sowie den Nasennebenhöhlen aus der Bahn geworfen wurde. Vor drei Jahren war er schon fast zurückgetreten. Der Leistenoperation unterzog er sich nicht, um seine Karriere zu retten, sondern „um für das normale Leben okay zu sein“. Doch als die Schmerzen weg waren, begann er wieder Spaß am Tennis zu finden und in der Weltrangliste zu klettern. Nach dem Sieg von Melbourne ist er auf Rang zwei angekommen, ein „unglaublicher Traum“ wäre es, „für wenigstens eine Woche“ Pete Sampras an der Spitze abzulösen.
„Ich merke jetzt, daß es fünf vor zwölf ist. Aber diese fünf Minuten können sehr lang sein“, hofft der Linkshänder. Wenn er fit ist, vermag der hagere Korda ein ungemein variables, technisch exzellentes Tennis zu spielen, zudem ist er zäh wie kaum ein anderer. Legendär sind seine gewonnenen Fünf- Satz-Matches gegen Pete Sampras beim Grand-Slam-Cup 1993 in München und bei den letzten US Open. Gegen Rios war eine solche Ausdauer nicht nötig, da der Chilene, der in der Weltrangliste auf Platz fünf klettert, nie ins Spiel fand. „Ich habe mich nicht so wie sonst gefühlt“, meinte der 22jährige, der seinen Ruf bestätigte, in den wirklich wichtigen Partien die Nerven zu verlieren und frühzeitig aufzustecken.
Nicht einmal mit den 206.000 Dollar Preisgeld für den zweiten Platz konnte er sich trösten. Selbst die Siegprämie von 412.000 Dollar hätte, wie Rios verriet, nicht den Verlust gedeckt, den der Spielsüchtige in den letzten beiden Wochen beim Blackjack im Casino von Melbourne erlitten hat. Matti
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