Konzertveranstalter klagen wegen städtischer Konzerte: Musik nicht nur für Reiche und Schöne
Private Veranstalter haben die Stadt Hamburg verklagt, weil sie in ihren Elbphilharmonie-Konzerten hochkarätige Orchester zu Dumping-Preisen anbiete. Die städtische Musik-Gesellschaft beruft sich auf einen sozialen Auftrag.
HAMBURG taz | "Wenn die Stadt uns nicht will, soll sie es doch sagen!" Christian Kuhnt, Geschäftsführer des Hamburger Konzertveranstalters Rudolf Goette, wirkt verbittert. Seit Jahren kämpfe man um Erhalt und Verbreitung der Hochkultur - namentlich: klassischer Konzerte. Und nun funke die Stadt mit ihrer "Hamburg Musik GmbH" dazwischen.
Dabei hatte es sich der private Veranstalter Goette, der unter anderem die Wiener und die New Yorker Philharmoniker, aber etwa auch die Pianistin Hélène Grimaud anbietet, als Monopolist in Hamburg so schön bequem gemacht.
Der Großteil des Goette-Programms besteht aus sogenannten Highlights, "Pro Arte"-Konzerte genannt: Weltberühmte Pianisten und Klangkörper kommen daher, spielen mitunter routiniert ihre Stücke herunter für ein honoriges Publikum. Spielort ist bislang die Laeiszhalle mit ihren 2.000 Plätzen.
Ein erkennbares System haben diese Reihen nicht. Geboten werden "Leuchttürme", Glanzlichter - für die Hamburgs Haute-Volée gut bezahlt: 230 Euro kostet bei Goette die teuerste Karte, 70 Euro das Gros der anderen. 400 Plätze gebe es aber schon für 20 Euro, sagt Kuhnt. Trotzdem: Diese Konzerte sind nichts für die Armen.
Nun ist eine empfindliche Störung dazugekommen: die Elbphilharmonie, die - ob sie 2014 eröffnet oder später - 2.150 Plätze haben und gleichfalls klassische Konzerte bieten wird. Einen Teil wird Goette anbieten, einen anderen die städtische Hamburg Musik GmbH unter dem Intendanten Christoph Lieben-Seutter, der dafür rund 200.000 Abonnenten braucht. 1.300 hat er schon, aber bis zur Fertigstellung des Baus, der derzeit wegen eines Disputs still liegt, dauert es ja auch noch.
In der Zwischenzeit gibt es als Appetizer die "Elbphilharmonie Konzerte". Die hatten die privaten Konzertveranstalter eingefordert, damit sie die Konkurrenz schon mal taxieren könnten. Zudem muss der sehr früh eingestellte Intendant bis zur Eröffnung ja auch etwas tun haben.
Also organisiert er seit drei Jahren Konzerte, mal in der Laeiszhalle, mal in der Kulturfabrik Kampnagel, mal in St. Pauli-Kneipen oder an anderen Orten - je nachdem, ob es um Klassik, Jazz, Weltmusik oder ein Akkordeon-Festival geht. Inzwischen sind die "Elbphilharmonie Konzerte" so etwas wie ein Label geworden - und die Karten vergleichsweise günstig.
Teuer werde auch der Gang in die Elbphilharmonie nicht, haben Hamburgs Politiker stets versprochen: Es werde ein "Haus für alle" mit erschwinglichen Preisen. Intendant Lieben-Seutter zufolge wird man dereinst für den Preis einer Kinokarte ins Konzert kommen. Und bisher hält er Wort: Um bis zu 50 Prozent liegen die Preise unter denen des privaten Veranstalters Goette - und hieran entzündet sich der Konflikt: Eventuell wird man in der Elbphilharmonie die Wiener Philharmoniker bei Goette für 230 Euro hören können, bei Lieben-Seutter für 135.
Das sei kein lauterer Wettbewerb, findet Goette-Geschäftsführer Kuhnt. Die Stadt habe kein Recht, Konzerte unter Marktwert anzubieten, sagt er. Zudem verlangten die Orchester nun mehr - in dem Wissen, dass die Stadt jeden Preis zahle.
Wegen Wettbewerbsverzerrung hat der Verband der deutschen Konzertdirektionendie städtische Musik-GmbH verklagt. Die konnte das Hamburger Landgericht beim ersten Termin am Mittwoch zwar nicht erkennen. Aber: "Dass die Stadt Dumpingpreise zahlt, haben die Richter eingeräumt", sagt Verbandsjustiziar Johannes Kreile. "Dass die Stadt die Privatveranstalter bewusst verdrängen wolle, sah das Gericht allerdings nicht", räumt er ein.
Das Urteil dürfte also im Sinne der Stadt ausfallen. Ein Behördensprecher sagte, man fühle sich durch diese vorläufige Rechtseinschätzung "grundsätzlich bestätigt". Am Gericht heißt es, man räume der Klage keine Erfolgsaussichten ein. Eine ähnliche Klage privater Konzertveranstalter in Berlin scheiterte.
Der Streitpunkt ist sehr grundsätzlich und immer derselbe: Darf und soll die öffentliche Hand Hochkultur subventionieren, sprich: zu Preisen anbieten, die die Produktionskosten nicht decken, damit nicht nur die Reichen daran teilhaben können? Oder soll der Staat alles dem Preis-Wildwuchs auf dem freien Markt überlassen?
"Wir sind nicht gegen Kulturförderung", sagt Goette-Geschäftsführer Kuhnt. Aber die Stadt solle lieber "die hiesigen Orchester fördern, statt uns Konkurrenz zu machen". Von solchen Orchestern - die Kuhnt keinesfalls "Provinzorchester" genannt wissen will - gibt es gleich mehrere: das NDR-Sinfonieorchester, die Philharmoniker und die Symphoniker. Und die könnten, findet Kuhnt, dann ja auch zu günstigen Preisen spielen.
Hamburgs Musiklandschaft, sagt Kuhnt, "verbessert sich nicht durch internationale Stars", deren Förderung sei daher nicht Aufgabe der Öffentlichen Hand. Was er nicht sagt: Er mag das Monopol auf diese Orchester nicht abgeben, damit er nicht eines Tages auch günstigere Preise machen muss. Wenn die Stadt so weitermache, "bricht ein ganzes Segment weg", so Kuhnt. "Irgendwann sind die Privatveranstalter pleite, und es gibt nur noch subventionierte Konzerte." Dass das nicht im Sinne der Privatveranstalter ist, liegt auf der Hand: Sie verlieren schon jetzt Abonnenten.
Mag sein, dass auch die Wohlhabenden stärker auf den Cent schauen und erwägen, zu den Elbphilharmonie-Konzerten überzulaufen. Das seien aber, so Lieben-Seutter, eher wenige - um die er auch gar nicht werbe: "Wir haben einen sozialen Auftrag und möchten kulturinteressierte Menschen gewinnen, die bislang nicht ins Klassik-Konzert gehen." Und das funktioniere vor allem über die Preise.
"Im Übrigen", sagt Lieben-Seutter, "denkt kein Mensch daran, den Privatveranstaltern etwas wegzunehmen. Die sollen ihr Stammpublikum unbedingt behalten." Dass aber nur die Reichen "qua Genetik" eine Affinität zur Klassik und ein Recht auf erlesene Konzerte haben - "das lehne ich rundweg ab". Das Gericht vermutlich auch. Verkündigt wird am 22. Dezember.
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