Konzentrationslager Sachsenhausen: Anklage gegen SS-Wachmann
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin beschuldigt einen 100-Jährigen, im KZ Sachsenhausen mitgemordet zu haben. Es geht um über 3.500 Fälle.
Trotz seines hohen Alters sei der Angeklagte einem forensisch-psychiatrischen Gutachten zufolge eingeschränkt verhandlungsfähig, sagte ein Sprecher der Anklagebehörde der taz. Die Ermittlungen gehen auf Hinweise der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg zurück und liefen seit dem Frühjahr 2019. In derselben Sache ist noch ein weiteres Verfahren in Neuruppin anhängig. Der jetzt Angeklagte bestreitet die Tatvorwürfe.
Bei den ihm zur Last gelegten Tötungen handele es sich um Mindestzahlen, sagte der Sprecher. Es gehe dabei um zwei Tatkomplexe: die Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener im Jahr 1942 und sogenannte Kriegsendverbrechen im Jahr 1944.
Nach Sachsenhausen bei Oranienburg sind beginnend 1936 insgesamt etwa 200.000 Häftlinge deportiert worden. Viele starben an den feindlichen Lebensbedingungen, es kam aber auch mehrfach zu Massenerschießungen.
Mindestens 30.000 Tote in Sachsenhausen
In einer Erschießungsanlage ließ die SS vom Sommer 1941 bis in das Jahr 1942 zwischen 13.000 und 18.000 sowjetische Kriegsgefangene ermorden. Sie waren gar nicht erst registriert worden. Um 1943 entstand in dem KZ auch eine Gaskammer, die allerdings nur in speziell angeordneten Fällen benutzt wurde. Nach Schätzungen von Historikern sind mindestens 30.000 Menschen in Sachsenhausen ums Leben gekommen.
Der Angeklagte habe in Sachsenhausen „die gesamte Bandbreite der Tätigkeiten“ als SS-Wachmann übernommen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Neuruppin. Er sei schon im Spätherbst 1941 nach seiner Ausbildung in das KZ gekommen und habe unterschiedlichen Kompanien angehört.
Das Landgericht Neuruppin muss nun über eine Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Der Angeklagte lebt im Bundesland Brandenburg.
Erst am Freitag vergangener Woche war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Itzehoe Anklage gegen eine ehemalige Sekretärin erhoben hat, die im KZ Stutthof eingesetzt war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen