Kontrollinstanz Journalismus: Investigativ – von Wallraff bis Correctiv
Machtmissbrauch, Korruption, Steuerskandale – es gibt viel aufzudecken in Deutschland. Wie gut, dass dies auch geschieht.

D eutschland, du kannst so hässlich sein, aber ganz oft auch wunderschön! Neben der oftmals wahrgenommenen Frustration in der Gesellschaft und dem Gefühl von Weltschmerz ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, was in Deutschland gut läuft: die hervorragende Arbeit von Investigativjournalist*innen. Machtmissbrauch aufdecken, Hinweisen nachforschen, Skandale und Missstände ans Licht bringen. Im Jahr 2024 steht Deutschland unter den Top 10 der Länder mit der höchsten Pressefreiheit weltweit.
Die Recherchen der Journalist*innen, mit der sie sich nicht selten in Gefahr begeben, dauern häufig mehrere Monate oder sogar Jahre an, da Bereiche untersucht werden, die schwer zugänglich sind und besondere Ressourcen, wie beispielsweise ein großes Personennetzwerk, erfordern. Beim Investigativjournalismus handelt es sich um eine besondere Variante der Berichterstattung. Das Wort „investigativ“ leitet sich vom lateinischen Verb „investigare“ ab und bedeutet so viel wie aufspüren, erforschen oder ausfindig machen. Und das können Journalist*innen in Deutschland sehr gut.
Die wohl bekanntesten Enthüllungen in der deutschen Medienlandschaft werden mit dem Namen Günter Wallraff verbunden. Als türkischer Gastarbeiter getarnt recherchierte er verdeckt in der Stahlindustrie und unter dem Namen Hans Esser bei der Bild-Zeitung. Er erlebte dabei viel Hass, Diskriminierung, Rassismus und Menschenverachtung und machte die Menschen auf unzählige Ungerechtigkeiten aufmerksam.
Vor gut einem Jahr, im Januar 2024, deckte die unabhängige Organisation Correctiv auf, dass Politiker*innen der AfD, der Werteunion und andere Akteur*innen in Potsdam ein Geheimtreffen mit Rechtsextremisten abhielten. Einige Monate später machten sie mit ihrer Arbeit ein erneutes Treffen derselben Parteien und Beteiligten mit Neonazis öffentlich. Der Inhalt dieser Recherchen sorgte für enorme Empörung in der Bevölkerung und zog eine weitreichende Welle an Protesten gegen rechts in vielen deutschen Städten nach sich. Dank der intensiven Nachforschungen war es möglich, sich als Gemeinschaft zu positionieren, auf die Straßen zu gehen und sich kollektiv für mehr Menschlichkeit einzusetzen.
Der Investigativjournalismus ist als Kontrollinstanz ein essenzieller Bestandteil der Demokratie. Und für mich als angehende Journalistin eine große Inspiration. Auch ich möchte dazu beitragen, Menschen auf die Straße zu bringen, damit sie sich zusammen für mehr Gerechtigkeit starkmachen.
Defne Arslan, 23, ist eine von 23 Nachwuchsjournalist*innen, die in der taz derzeit eine Sonderbeilage zur Bundestagswahl gestalten. Sie erscheint am 21. Februar.
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