Kontaktlos zahlen im Bus: Faktischer Nulltarif
Die BVG hat die Barzahlung im Bus abgeschafft. So ist eine rechtliche Grauzone entstanden, die Passagier:innen theoretisch ausnutzen können.

Es ist ein Pilotversuch, der weitreichende Folgen haben könnte. Denn nach Einschätzung der Senatsverwaltung für Mobilität geht aus den Beförderungsbedingungen des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) hervor, dass in Bussen bar gezahlt werden kann. „Ist dies nicht der Fall, gilt dennoch die Beförderungspflicht“, erklärt Jan Thomsen, Sprecher der Verkehrsverwaltung, auf taz-Anfrage.
Im Klartext: Wer nicht kontaktlos zahlen kann, darf nach Ansicht des Senats trotzdem mitfahren. Erst beim Umstieg auf ein Verkehrsmittel wie S- oder U-Bahn muss ein Ticket gekauft werden.
Rechtlich betrachtet fehlt in den Augen des Senats eine Grundlage dafür, die Barzahlung in Bussen abzuschaffen, bis der VBB seine Beförderungsbedingungen anpasst. So geht es aus der Antwort der Verwaltung auf eine AfD-Anfrage hervor. Zuerst hatte die Berliner Zeitung darüber berichtet.
Senat will Barzahlung wieder einführen
Ob Fahrgäste wirklich nur bar zahlen können, lässt sich freilich nicht kontrollieren. Was, wenn ein:e Passagier:in behauptet, kein kontaktloses Zahlungsmittel dabeizuhaben?
Grundsätzlich bräuchten Fahrgäste ein gültiges Ticket, betonen sowohl Thomsen als auch BVG-Sprecher Jannes Schwentu. Doch dieser erklärt auch: „Bei Fahrscheinkontrollen im Bus gehen wir mit dem gebotenen Augenmaß vor und verweisen Fahrgäste ohne kontaktlose Zahlmöglichkeit im Zweifelsfall auf die nächste Kaufmöglichkeit.“
Um Klarheit zu schaffen, stimme die BVG sich derzeit mit der bei der Senatsverwaltung angesiedelten Tarifgenehmigungsbehörde über Termine ab. Doch wie und wann die Beförderungsbedingungen des VBB entsprechend angepasst werden, ist noch unklar.
Generell spricht rechtlich nichts gegen die Abschaffung der Barzahlung für Fahrscheine. Das ist im Bundesgesetz zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts geregelt, das im vergangenen Jahr verabschiedet wurde.
Der Senat will die Barzahlung in Bussen trotzdem wieder einführen. Das sei „der gemeinsame Wille des Senats“, erklärt Verwaltungssprecher Thomsen. Nur so könne sichergestellt werden, „dass Fahrgäste regelkonform nur mit gültigem Ticket befördert werden“.
Guthaben vom Lottoladen
Wegen der Bedenken des Senats hatte die BVG im vergangenen Herbst eine Guthabenkarte eingeführt. Passagier:innen können sie in den Kundenzentren der BVG und bei rund 500 Lotto-Annahmestellen kaufen und mit Geld aufladen. Die Karte ist nicht personengebunden, kann also beliebig weitergegeben werden und dient als kontaktloses Zahlungsmittel.
Bislang jedoch sei die Guthabenkarte „noch nicht im VBB-Tarif berücksichtigt“, heißt es in der Antwort der Verkehrsverwaltung auf die parlamentarische Anfrage.
Was in Bussen aktuell Standard ist, wirkt in Berliner Trams immer noch unvorstellbar. Viele Automaten dort nehmen ausschließlich Münzen an. Zwar startete die BVG 2020 ein Pilotprojekt mit modernen Automaten in einigen Straßenbahnen. Doch wie es mit der Modernisierung der Tram-Fahrkartenautomaten weitergeht, ist laut BVG-Sprecher Schwentu noch nicht entschieden.
Kein Bargeld im einen Verkehrsmittel, im anderen dafür nur Münzen: Der Ticketkauf im Berliner Nahverkehr bleibt leicht chaotisch.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell