Kontaktbörse Facebook: Gesucht und gefunden
Wer endlich den schönen Unbekannten aus der U-Bahn finden möchte, kann seit kurzem auf den „spotted“-Facebookseiten nach ihm suchen.
BERLIN taz | „Du warst in der U5 und Du hattest eine Tasche, auf der „George, Gina & deine mudda“ stand. Hast mir gefallen“. Wer kennt nicht eine Situation, in der man es verpasst hat, jemanden anzusprechen. Dafür gibt es jetzt „spotted“-Facebookseiten. Kostenlos und anonym werden auf diesen Seiten, die an spezifische Orte gebunden sind, Kontaktanzeigen geposted: Wer beispielsweise in der U5 in Berlin sitzt kann auf der Seite spotted: BVG Berlin eine Kontaktanzeige hinterlassen. Wer die Person dann „spotted“, also bemerkt oder entdeckt, kann das dann in einem Kommentar mitteilen.
In den USA, Großbritannien und Irland gibt es diese „spotted“-Facebookseiten an Universitäten und im Nahverkehr schon seit 2012. Die Seite spotted: On Dublin Bus hat seit dem Start im Dezember 34.500 Fans gesammelt. Diese Flirt-Welle ist jetzt auch in Deutschland angekommen. Seit Januar gibt es diese Seiten für viele Unis und den öffentlichen Nahverkehr.
Besonders beliebt ist diese Flirtmethode an den Universitäten und den Bibliotheken. „Studenten flirten total gerne, aber manchmal traut man sich eben nicht jemanden anzusprechen oder man sieht sich einfach nicht mehr wieder“, erklärt Nik Myftari. Der Student aus Heidelberg hat den Trend der spotted-Facebookseiten erkannt und mit vier Kommilitonen die Plattform bibflirt.de gegründet. Die Seite ist seit dem 14. Januar online und hat jetzt schon 20 bis 30 Tausend Nutzer am Tag.
Die normale spotted-Facebookseite machte es schwierig, mit der oder dem Gesuchten in Kontakt zu treten. Das ist bei bibflirt anders: Hier können die User sofort auf den Button „Volltreffer - das bin ich!“ klicken und direkt Kontakt aufnehmen.
Kommunikationskanal ändert sich
Wie kommt es zum Hype der spotted-Seiten und bibflirt? Belegt das Phänomen die Behauptung, dass mit dem Internet die sozialen Interaktionen immer virtueller werden? Warum nicht einfach mal das Mädchen in der U5 in Berlin ansprechen?
„Die junge Generation empfindet die Kommunikation über Facebook als total normal“, erklärt die Soziologin Bernadette Kneidinger von der Universität Bamberg. „Eigentlich hat sich nur der Kanal geändert, früher hat man eben den Kommilitonen gefragt, heute posted man das bei Facebook“. Allerdings bestätigt die Soziologin auch, dass die Hemmschwelle im Internet viel niedriger sei und man so völlig ungefährlich den Kontakt suchen könne.
Der Soziologe Andreas Schmitz urteilt, dass die Gegenüberstellung von online und offline eine künstliche sei. „Nur weil die Kommunikation im Internet stattfindet ist sie nicht ihrem Wesen nach anders“. Er sieht mit Facebookseiten wie „spotted“ nicht die allgemeine Kommunikationsfähigkeiten der Menschen in Gefahr, sondern betont, dass einige Nutzer eher zusätzliche spezifische Kommunikationskompetenzen erwerben.
„Spotted“ könne als zweite Chance für diejenigen gesehen werden, die sich in einer Face-to-Face-Situation unsicher sind, was der oder die Andere denkt.
Die Idee von „spotted“ und bibflirt ist nicht unbedingt neu. Schon der Grundgedanke von Facebook war, dass die Studierenden auf dem Campus Kontakt aufnehmen. Neu ist allerdings, dass Facebook anderen Single-Börsen mit dem neuen Graph-Search Konkurrenz machen könnte. Graph-Search ist die neue Suchfunktion von Facebook. Sie soll den Nutzern eine gezieltere Recherche über Personen, ihre Interessen und Vorlieben ermöglichen. Hier könnte dann auch der Beziehungsstatus „Single“ eingegeben werden.
Datenschützer sehen die „spotted“-Seiten nicht unkritisch. Denn es bestehe bei den Facebookseiten die Gefahr des Stalkings und einer Kontaktaufnahme gegen den Willen der gesuchten Person, erklärt der Pressesprecher des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Der bibflirt-Mitgründer Nik Myftari musste seine Freundin noch ganz altmodisch über Freunde bei Facebook suchen. „Das hat auch geklappt, aber mit bibflirt oder spotted wär es bestimmt schneller gegangen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance