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Kontakt mit Kegelrobben auf HelgolandDie wollen nur spielen!

Junge Robben kamen eine Zeit lang Schwimmern zu nah. Die Tiere waren zu sehr an Menschen gewöhnt. Jetzt helfen neue Regeln und ein Forschungsprojekt.

Sehen süß aus, können aber beißen: Kegelrobben auf Helgoland Foto: Bodo Marks/dpa

Hamburg taz | Es war in diesem Sommer etwas anders auf Helgoland. Die Robben schwammen weiträumig vorbei und schienen sich nicht für uns Menschen zu interessieren, wenn wir auf der Düne am Südstrand im Wasser waren. Das war noch im Sommer 2024 anders. Da näherte sich eine junge Kegelrobbe den Schwimmenden und der ­Bademeister der DLRG forderte alle Menschen auf, das Wasser zu verlassen.

Robben sind keineswegs nur niedlich, wie die als Souvenir erhältliche Plüschtierversion suggeriert. Es sind Raubtiere, die recht groß, schwer und schnell werden können. Darauf wird jeder Tourist auf Helgoland hingewiesen, der mit der Fähre zur Nachbarinsel „Düne“ übersetzt. Mindestens 30 Meter Sicherheitsabstand sind einzuhalten, am Strand und im Wasser.

Seit einigen Jahren aber näherten sich Jungtiere von sich aus den Schwimmern im Wasser. 2016 kam es zu einem Vorfall, bei dem ein Mann von den Zähnen eines Tieres leicht am Fuß verletzt wurde. Für den 52-Jährigen, der seit seiner Kindheit auf Helgoland im Meer badete und niemals mit den Robben in Kontakt gekommen war, war das „ein Schock“, wie er sagte.

Damals teilte der Tourismusdirektor mit, man habe seit Beginn der Badesaison im Juni 13 Fälle von leichten Verletzungen bei Badegästen registriert. Zumeist handele es sich um „kleine Kratzer und geringfügige Bisswunden“. Auch im Jahr 2018 erhielt die taz Kenntnis von einem Vorfall, bei dem ein Teenager von einer Robbe gebissen wurde.

Unterwasser-Töne können Tiere vergrämen

Seit 2019 soll ein Forschungsprojekt der Tierärztlichen Hochschule Hannover herausfinden, wie es möglich ist, im Schwimmerbereich der Düne eine robbenfreie Zone zu schaffen. „Auf Helgoland gibt es eine sehr spezielle Situation“, sagt Projektleiter Tobias Schaffeld. Der Tourismus sei dort stark, wo auch der Lebensraum der Kegelrobben ist. Deren Population sei nach Jahren starker Bejagung wieder stark angewachsen.

Auch wenn die von Kegelrobben verursachten Verletzungen harmlos waren, machte man sich auch im schleswig-holsteinischen Umweltministerium Gedanken, was noch passieren könnte. Denn Robben fressen nicht nur Fisch, sondern auch andere Meeressäuger, das haben Forscher schon 2019 herausgefunden. Sie, darauf verweist das Ministerium, stellten fest, dass „wenn Menschen in die unmittelbare Nähe von Kegelrobben kommen, eine Gefährdung nicht sicher ausgeschlossen werden könne“.

Das Hannoveraner Forschungsteam hat nun Möglichkeiten geprüft, Robben und Strandgäste zu trennen. „Ein Zaun oder ein Netz lässt sich wegen Flut und Ebbe dort nicht realisieren. Es wäre auch ein zu starker Eingriff in das Habitat der Tiere“, sagt Tobias Schaffeld.

Wenn Robben Kontakt aufnehmen: Verletzung am Bein Foto: Kaija Kutter

Darum versuche man nun, ob man die Tiere akustisch mit Unterwasser-Tönen vergrämen kann. Die Methode sei aus Großbritannien bekannt, wo man Kegelrobben, die in Aquakulturen Fische stibitzen, auf diese Weise vertreibt. Schaffelds Team hat zunächst nach einem passenden Geräusch gesucht, das keine Verletzung herbeiführt. Gefunden habe man nun ein lautes Signal, dass so kurz ist, dass es keinen Einfluss auf das Gehör der Tiere nimmt, aber bei ihnen den Reflex auslöse, sich zurückzuziehen.

Das Prinzip hat das Team außerhalb der Tourismus-Hochsaison getestet, mit einem Lautsprecher, der per Hand an- und ausgeschaltet werden musste. Schaffeld musste dafür zum im Meer gelegenen Unterfeuer vor der Düne schwimmen. „Von daher weiß ich, was das für ein Gefühl auslöst, wenn man in der Nähe dieser Tiere schwimmt“, sagt der Biologe. In Zukunft sind dauerhafte Lautsprecher geplant, die der Bademeister am Strand kurz per Knopfdruck anschalten kann.

Taucher im Neopren kamen Tieren zu nahe

Obwohl es die noch nicht gibt, hat sich etwas verändert: Seit fünf Jahren gab es auf Helgoland keine dokumentierten Verletzungen durch Robben in den Badebereichen mehr. Das schreiben der Dünen-Betriebsleiter Michael Janssen und die Jordsand-Stationsleiterin Damaris Buschhaus der taz.

Eine Erklärung: Die Insel hat selbst Maßnahmen ergriffen. Am Südstrand werden Badegäste gebeten, nicht mit Neopren ins Wasser zu gehen. Denn es waren mit Neopren und Unterwasserkameras ausgestattete Gäste, die in der Vergangenheit gezielt Kontakt zu den Tieren gesucht hatten.

Mit diesen Anzügen habe man eine „dicke zweite Haut“, die „bei Probierbissen der angelockten Robben für ein Video schon mehr Schutz bietet als die blanke Haut“, schreiben die beiden. Doch die Robben könnten nicht unterscheiden, welche Gäste Kontakt suchen und welche nicht. Menschen nur in Badehose oder Bikini seien dann genauso intensiv von den Robben bespaßt worden.

„Dies wiederum führte zu Kratz- und Bissverletzungen bei den relativ ungeschützten Badegästen in normalen Badeklamotten“, stellen die Leute von Jordsand fest. Die Tiere könnten nicht gut gucken, und nutzten ihre anderen Sinne. „Dazu gehört natürlich die Schnauze.“

Zwischen den Robben durchgelaufen

Eine weitere Maßnahme greift im Winter. Während der Wurf- und Paarungszeit gebe es eine extrem hohe Tierdichte an den Stränden der Düne, deshalb werden diese bis auf wenige Bereiche geschlossen und die Gäste über einen erhöhten Bohlenweg geführt, von dem sie die Tiere beobachten können.

Früher seien die Menschen zwischen den Robben hindurchgelaufen. Doch diese Nähe der Gäste zu den Jungtieren habe zu Nähe zu ausgewachsenen Robben im Sommer geführt. „Biss- und Kratzverletzungen waren also ein menschengemachtes Problem.“

In der Badesaison suchten sich die nun nicht mehr ganz so sehr an Menschen gewöhnten Jungtiere lieber ruhige Liegeplätze, etwa im Felswatt vor der Hauptinsel. Auch gibt es eine Ruhezone am Strandrand, die den Robben vorbehalten ist. Zudem nutzten sie den Sommer, um sich abseits der Insel Energiereserven anzufressen.

Das Forschungsprojekt der Tierhochschule hat die Aufgabe, all diese Maßnahmen zu evaluieren, auch um zu schauen, wie sich die Jungtiersterblichkeit entwickelt. „Alles in allem sind die Ergebnisse vielversprechend“, sagt Tobias Schaffeld. Es gelte, hier sowohl einen einmaligen Naturschatz zu bewahren und den Tourismus zu erhalten. „Es soll nicht das Ergebnis sein, dass man Schwimmen verbietet.“

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2 Kommentare

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  • Wie schön. Endlich mal etwas positives zu berichten. Keine bad news.

    Harmloser Kratzer. Er wird es überleben - und eine Lehre sein 😉

  • "Verletzungen" und dann ein Foto von einem Kratzer 🤣