Konsumismus bei Buzzfeed: Was will dir dieser Artikel verkaufen?
„Buzzfeed“ verdient Geld, indem es „gesponserte Beiträge“ unter redaktionelle mischt. Aber auch diese bestehen oft aus Werbebotschaften.
Die Nachrichten- und Listenseite Buzzfeed ist einer der Vorreiter der Werbetechnik „Native Advertising“. Seit 2010 experimentiert die Firma mit Inhalten, die von Firmen gesponsert werden, aber von Buzzfeed kreiert werden und kaum unterscheidbar sind von redaktionellen Inhalten auf der Seite. Auf der Startseite werden beide Artikelsorten untereinander gemischt. Lediglich die Autorenzeile verrät den Sponsoren.
Mit „Native Advertising“ wird ein wichtiger Grundsatz des Journalismus aufgeweicht: dass Werbung in Inhalt und Form klar von redaktionellen Beiträgen zu unterscheiden ist. Das gibt es auch in Offline-Medien, allerdings hat es mit der neuen Bezeichnung das Anrüchige verloren: Es klingt als ob es etwas Modernes, Unproblematisches sei.
Buzzfeed ist allerdings nicht das einzige Medium, das „Native Advertising“ einsetzt. Auch andere Onlinemedien wie die Huffington Post oder The Atlantic verwenden es und etablierte Medien aus der Vor-Internet-Zeit, wie die New York Times oder Forbes, arbeiten auf ihren Websites damit. In Deutschland fiel es beispielsweise bei Spiegel Online auf.
Auf Buzzfeed bleibt es aber nicht nur bei Werbebotschaften in gesponserten Artikeln. Viele der redaktionellen Inhalte sind davon kaum zu unterscheiden und man fragt sich: Soll mir hier etwas verkauft werden?
Hier sind vier Beispiele.
1. Geile gesponserte Reiseidee!
Ein Selfie im Grand Canyon, eine Dampferfahrt auf dem Mississippi, ein Besuch beim Luau-Fest auf Hawaii: Das sind Dinge, die man nur in den USA machen kann. Logisch. Typisch für Buzzfeed ist die Überschrift „19 Dinge, die du nur in den USA tun kannst und nirgendwo sonst“: Listen von lustigen, besonderen oder schönen Dingen, das sind die Artikel worauf die Seite spezialisiert ist.
Überhaupt ist der Artikel typisch für Buzzfeed. Nur hat der Artikel keinen Autor, in der Autorenzeile steht „Discover America, Brand Publisher“. Die US-Marketingfirma hat den Artikel gesponsert, es ist Native Advertising, er soll zu einer Reise in die USA anregen. Für solche Art Werbung hat Buzzfeed eine eigene Abteilung, die „maßgeschneiderte, originelle Inhalte“ anbietet, „Inhalte, die es wert sind, geteilt zu werden“.
Nicht immer ist die Werbebotschaft so klar wie beim USA-Tourismus. Opel ließ Buzzfeed einen Artikel veröffentlichen mit der Überschrift „12 kleine Tiere, die absolut nicht süß sind“. Außerdem gibt es oft ähnliche Artikel auf Buzzfeed, die sich die Redaktion ganz ohne Sponsoren ausdenkt: „64 Gründe, warum Frankfurt am Main die beste Stadt Deutschlands ist“ beispielsweise oder „24 Burger in Berlin, die du gegessen haben musst“. Wären die Texte anders ausgefallen, wenn sie vom Stadtmarketing bezahlt würden?
2. Dafür solltest du bald dein Geld ausgeben!
Darf man den Kinostart eines Hollywoodfilms zum Anlass einer Berichterstattung nehmen? Klar, machen alle Medien. Kurz bevor ein Film anläuft, gibt es Kritiken und oft eben auch Besprechungen, die einen Kinobesuch klar empfehlen. Also: zum Verkauf anregen. Warum sollte das eine Seite wie Buzzfeed nicht auch machen?
Statt eine ganz gewöhnliche Filmbesprechung zum Zeichentrickfilm „Minions“ zu machen, der am Donnerstag startete, hat sich die Buzzfeed-Redaktion etwas Ausgefallenes ausgedacht. Zwei Wochen vor dem Kinostart haben sie die Köpfe der süßen gelben Figuren auf die Körper von Disneyprinzessinnen montiert. Vier Tage später kam der nächste Artikel: „24 Leute, deren Minions-Liebe viel zu weit ging“ zeigte verrückte Fans mit ihren verrückten Minion-Promo-Produkten.
Die Marke als offenbar anlassloses Lifestyle-Accessoire – viele Firmen träumen von einer entsprechenden Platzierung ihrer Produkte oder lassen sich solche Werbung viel Geld kosten. Auf Buzzfeed bekommen das die Studios hinter „Minions“ umsonst, denn nirgendwo in den Artikeln ist der naheliegende Anlass, der Filmstart, erwähnt. Stattdessen werden Fans der Figuren rechtzeitig daran erinnert, dass es sie bald auch zu konsumieren gibt: als Kinofilm.
3. Es ist etwas passiert! Deshalb: mehr kaufen!
Vor einer Woche urteilte der Supreme Court der USA, dass der Ausschluss von homosexuellen Paaren von der Institution der Ehe gegen die Verfassung verstoße. Ein wichtiger Sieg für Schwule und Lesben in den USA und ein wichtiges Signal an den Rest der Welt. Aber auch Anlass für PR-Abteilungen, sie als Zielgruppe anzusprechen: „Schaut her, wir unterstützen euch – kauft unsere Produkte“ ist die Botschaft, die in den Regenbogen-Gimmicks vieler US-Firmen steckte.
Ein Erfolg bei den Bürgerrechten wird zu einem Anlass für eine Werbebotschaft. Zumindest indirekt. Das kann man in Ordnung finden, man kann es auch kritisieren. Was Buzzfeed daraus machte, kann man höchstens – wohlwollend – als Dokumentation bezeichnen: “32 der besten Tweets von Marken, die die Ehe für alle feiern“ heißt der Artikel, der regenbogenfarbene PR-Gimmicks von Unternehmen sammelte. Warum es wichtig ist, was Firmen dazu zu sagen haben, schreibt die Autorin nicht. Auch nicht, warum andere Firmentweets schlechter waren als die ausgewählten.
Der redaktionelle Artikel ist eine Sammlung von bunten Kaufempfehlungen. Bezahlt hat keine der Firmen für die prominente Werbung.
4. Voll problematisch! Trotzdem kaufen!
Warum sind Models eigentlich immer so schlank? Baut das subtil Druck auf Frauen auf? Verstärkt es Unsicherheiten? Die Idee, dass auch Models mit anderen Kleidungsgrößen als XS neue Mode bewerben könnten, ist nicht ganz neu. Die Zeitschrift Brigitte erschien beispielsweise zwischen 2010 und 2013 “ohne Models“, H&M bewarb 2013 Bademode mit einem Model, deren Rippen man ausnahmsweise nicht zählen konnte.
Nur „Victoria’s Secret“ bekam vergangenes Jahr ein Problem. Eine Unterwäschekampagne mit dem Titel „The Perfect Body“ zeigte zehn sehr dünne Models. Prompt gab es Protest gegen die angebliche Perfektion und die Firma änderte den Kampagnentitel zu „A Body for Every Body“. Ein PR-Desaster.
In einem redaktionellen Artikel von Buzzfeed stellen Redakteurinnen mit „normalen Körpern“ die Bilder der Models nach – professionell fotografiert. Ist das Kritik an der Modelauswahl von „Victoria’s Secret“? Oder beweist der Artikel nur, dass es die Bademode auch in Größen für dickere Frauen gibt? Ist es subversiv, wenn Frauen ohne Modelmaße ein Modeshooting nachstellen? Zugleich wird einer Firma, die prominent im Titel genannt wird, auch beim Aufpolieren ihres Images geholfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich