: Konsum an exponierter Stelle
Zur Expo 2000 sollen Hamburgs Geschäfte länger öffnen dürfen – wenn sich Handelskammer, Behörde und Gewerkschaften einigen ■ Von Judith Weber
Acht Uhr abends und kein Grund zur Eile. Die Türen der Kaufhäuser und Boutiquen an der Mönckebergstraße klaffen weit offen, spucken Menschen mit Tüten in der Hand aus und saugen Unversorgte ein. Geld geht hin und her, und an den Kassen sitzt so manche Verkäuferin, die zuvor arbeitslos war. So wird es sein, wenn in Hannover die Expo 2000 begonnen hat, glaubt die Hamburger Handelskammer. Vorausgesetzt, der Senat erlaubt es den HändlerInnen, ihre Läden länger zu öffnen als bis 20 Uhr. Darüber „wurden mit der Wirtschaftsbehörde schon Gespräche geführt“, bestätigte gestern Kammer-Mitarbeiter Frank Günter Völz. „Das Thema wird von uns mit Priorität vorangetrieben.“
Mindestens zwei weitere Stunden täglich, also eine Öffnung bis 22 Uhr, möchte der Unternehmer-Verband herausschlagen. Oder mehr. Erstens wird in Hannover sogar erwogen, den Ladenschluß während der Weltausstellung gänzlich zu kippen. Zweitens brauchen die Expogäste, die in Hamburg wohnen, nach Messeschluß um 18 Uhr erstmal zwei Stunden, bis sie wieder in der Hansestadt sind. „Danach“, so Völz, „müssen sie noch Zeit haben, in die Geschäfte zu gehen.“ Drittens wäre die Expo eine gute Gelegenheit „für eine Art Testlauf“. Seit langem versucht die Kammer, am Ladenschluß zu sägen; die fünfmonatige Ausstellung „kommt uns da sehr gelegen“.
Eben das befürchtet die für Handel zuständige Gewerkschaft HBV. „Das ist nur ein weiterer Baustein, um das Gesetz gänzlich abzuschaffen“, ärgert sich Sprecher Jörg Reinbrecht. „Diese Debatte sollte endlich mal vorbei sein.“ Eine Weltausstellung in 150 Kilometern Entfernung ist seiner Ansicht nach kein Anlaß für längere Öffnungszeiten. „Dann könnten wir auch über eine Ausnahme während des Münchener Oktoberfestes reden.“
Das gewerkschaftliche Expo-Szenario sieht denn auch abschreckender aus als das der Kammer: Acht Uhr abends und kein Ende in Sicht. Die Türen der Geschäfte stehen weit offen, doch kaum jemand geht hindurch. Die Verkäufer machen Überstunden.
Ob bei einer flexiblen Regelung während der Messe neue Arbeitsplätze entstehen würden, darüber streiten Handelskammer und Gewerkschaft. „Auf jeden Fall“, ist erstere optimistisch. Es sei auch „denkbar, daß es sich nicht nur um befristete Verträge“ handele. Die HBV hält dagegen, daß „auch die Öffnung bis 20 Uhr keine neuen Jobs gebracht hat“.
Hamburgs Wirtschaftsbehörde sucht nun nach einer Lösung, mit der alle Beteiligten zufrieden sind – wenigstens einigermaßen. „Die Ladenöffnung ist ein Thema“, so Sprecher Bernd Meyer. „Wir müssen aber erst sehen, was konsensfähig ist.“ Acht Uhr abends – was dann kommt, ist offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen