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Konservative Muslime gegen EifererAufruhr gegen Salafisten

Die arabische Welt steht vor einer beispiellosen Konfrontation zwischen den islamisch-konservativen Parteien und den radikalen Religiösen.

In Tunis schützt das Militär die französische Botschaft vor Anhängern der Salafisten. Bild: dapd

KAIRO taz | Wieder einmal feiern die Vertreter des Kampfes der Kulturen Festtage – dieses Mal im Zusammenhang mit einem in den USA produzierten Mohammed-Schmähvideo, französischen Karikaturen des Propheten und gewalttätigen muslimischen Reaktionen.

Der Kampf der Kulturen wird gleichsam auf beiden Seiten propagiert, im Orient von den Salafisten, im Okzident von christlichen Fundamentalisten und manchen Konservativen. Von letzterer Seite wird gerne darauf verwiesen, dass der Arabische Frühling lediglich zu einer Machtergreifung der Islamisten geführt habe.

Aber das ist ein Trugbild. Denn statt des Kampfs der Kulturen zwischen Orient und Okzident steht den Ländern des Arabischen Frühlings ein anderer, ein interner Kulturkampf bevor. Die dortige Frontlinie in Ägypten, Libyen und Tunesien verläuft dabei zwischen der Mehrheit der Gesellschaft und den ultrakonservativen Salafisten. Diese Konfrontation zeichnet sich in allen drei Ländern ab.

Die Salafisten

Der Begriff „Salafisten“ leitet sich ab von „al-salaf al-salih“, übersetzt „die frommen Altvorderen“. Damit ist der Prophet Mohammed sowie die ersten drei Generationen der Muslime gemeint. Diese Periode gilt als geistiges Modell für eine muslimische Gemeinschaft der Gegenwart, das sich an einer engen Auslegung des Korans orientiert.

Vertreter des politischen Salafismus versuchen, durch Missionierung ihren Einfluss in der Gesellschaft zu stärken, während eine Minderheit bereit ist, für die Umsetzung ihrer Ziele auch Gewalt einzusetzen. Viele Salafisten kleiden sich heute so, wie es die Altvorderen gemacht haben sollen: Sie tragen weiße, gehäkelte Kappen, einen gleichfarbigen langen Kaftan und Dreiviertelhosen. Und sie rasieren sich nicht. Ihre Frauen hüllen sich in schwarze Kleidung, tragen Handschuhe und einen halben Gesichtsschleier, sodass nur ihre Augen zu sehen sind. (b.s.)

Deutlich wurde das an diesem Wochenende in Bengasi. Dort versammelten sich Zehntausende zu einer „Rettet Bengasi“-Demonstration und entledigten sich in Eigeninitiative der Plage der salafistischen Milizen. „Ich will einfach diese Typen hier nicht mehr sehen, die mich, auf afghanische Art gekleidet, anhalten und mir Befehle erteilen. Ich möchte hier Menschen in regulärer Uniform“, sagte der Student Omar Muhammed.

Milizen weichen „arabischen Wutbürgern“

„Jetzt kommt der arabische Sommer“, wurde hoffnungsvoll aus Bengasi getwittert. Es war eine neue Art „arabischer Wutbürger“, dem die gut bewaffneten Milizen weichen mussten. Ob die diese Niederlage ohne Weiteres akzeptieren werden, sei dahingestellt. Aber für den Konflikt Mehrheitsgesellschaft gegen Salafisten könnten die Ereignisse richtungsweisend sein.

Denn auch in Tunesien zeichnet sich eine härtere Gangart gegen die Salafisten ab. Hatten diese noch vor einer Woche vor der US-Botschaft und in der amerikanischen Schule gewütet, ließ ihnen die Polizei letzten Freitag keinen Raum mehr. Rachid Ghannouchi, Chef der islamisch-konservativen Regierungspartei Ennahda, erklärte die Salafisten zu einer Gefahr für Sicherheit und Freiheit des Landes.

Der Vorfall zeigt, dass der Sammelbegriff „Islamisten“ ausgedient hat. Denn der wird gleichermaßen auf islamisch-konservative Parteien wie auf die ultrareligiösen Salafisten angewendet. In Tunesien und Ägypten hatten westliche Beobachter einen „islamistischen Schulterschluss“ befürchtet. Nun zeigt sich immer mehr, dass die Salafisten für die großen islamisch-konservativen Parteien ein Problem darstellen und dass sie dieser Konfrontation kaum mehr ausweichen können.

Das gilt auch für Ägypten, wo die regierende Muslimbruderschaft zwar noch zögert, die Zeichen zwischen ihnen und den Salafisten aber auf Sturm stehen. Der von den Muslimbrüdern stammende Präsident Mohammed Mursi kann sich nicht einerseits staatsmännisch geben und anderseits zusehen, wie die Salafisten versuchen, der Gesellschaft ihre mittelalterlichen Vorstellungen aufzudrücken – mit rigider Kleiderordnung für Mann und Frau, der Scharia als Gesetzesgrundlage und einem kompletten Alkoholverbot.

Mohammed-Video aus den Tiefen des Internets

Es waren salafistische Fernsehkanäle, die vor zwei Wochen das Mohammed-Video aus den Tiefen des Internets ausgruben und zu Protesten aufriefen, was die ägyptischen Sicherheitskräfte zwei Wochen lang in Atem hielt.

Zu Zeiten der Diktatur waren die Salafisten Spielball der Staatssicherheit. In der neuen arabischen Welt kann und sollte man sie nicht wegsperren. Erstmals muss man dieses Problem gesellschaftlich und politisch angehen.

Um die Salafisten zu isolieren, braucht es gerade die großen islamisch-konservativen Parteien, seien es die Muslimbrüder in Ägypten oder Ennahda in Tunesien, die die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung genießen. Diese Gruppen müssen sich entscheiden, ob sie auf dem salafistischen Auge blind bleiben wollen, aus Angst, einen Teil der konservativen muslimischen Wählerschaft zu verlieren, oder ob sie gegen die Salafisten vorgehen und sie politisch und gesellschaftlich isolieren.

Kommt das nicht bekannt vor? In gewisser Weise erinnert der Konflikt an die konservativen Volksparteien in Europa und deren nicht immer einfachen Umgang mit dem rechten Rand in der Politik. Das Gebot auf beiden Seiten wäre es, gegen totalitäres, rassistisches oder religionsfeindliches Gedankengut vor der eigenen Haustür zu kehren. Das wäre dann aber kein Kampf der Kulturen, sondern ein Kampf der Kultur.

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18 Kommentare

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  • M
    max

    immer der selbe schmarn, der hier neuerdings von immer den selben würstchen abgesondert wird. hat pi mal wieder zum sturm auf die taz geblasen?

    langweilig ...

  • C
    Chandrika

    @Pia Nachtsheim:

     

    >>> USA produzierten Mohammed-Schmähvideo,

  • A
    antimarx

    Das ist schon erstaunlich, während sich die Muslime in Deutschland nicht gegen Salafisten wehren oder diese kritisieren, kommt es in den weit weniger demokratischen Ländern Nordafrikas zu einem Aufstand. Dabei sind wir doch die zivilisierten Demokraten!?

  • G
    Gott

    Religionsfeindlichkeit ist Kultur.

  • M
    mehrdad

    das ist in der tat taqiyya.

     

    was wir in der ummah haben, ist die wahl zwischen religiöse nazis (islamisten) mit oder ohne die waffen SS (salafisten).

     

    beides von rechtsstaat, demokratie und freie gesellschaften lichtjahre entfernt. egal ob in tunesien, ägypten, libyan oder bald in syrien.

  • D
    D.J.

    "Das Gebot auf beiden Seiten wäre es, gegen ... religionsfeindliches Gedankengut vor der eigenen Haustür zu kehren."

     

    Dieser Satz ist m.E. Verrat an der Aufklärung. Ich denke, dass Begriffe wie "Links" im Kampf um die Rettung der Vernunft heute nicht mehr taugen. Was hat eine mutiger Mann wie Wallraff etwa mit den Kriminalisierern von Religionskritik zu tun, die teilweise die Dreistigkeit haben, sich ebenfalls "links" zu nennen?

  • D
    Dhimitry

    Das ist doch Taqiyya! ;)

  • BS
    Bernhard Sesterheim

    Bravo! Dies ist ein sehr guter Kommentar, der aufzeigt, daß die Blume des Arabischen Frühlings keineswegs verdorrt ist!

  • N
    neubau

    Was ist "religonsfeindliches" Gedankengut und weshalb wird in einer linken Zeitung wie der taz davon geschrieben?

    Ist es verwerflich, Religion per se abzulehnen oder meint der Autor damit die Verunglimpfung der Menschenwürde über die Beleidigung dessen, woran Menschen glauben?

    Es wäre vielen Menschen geholfen, wenn Religion endlich keine Rolle mehr spielen würde und an ihre Stelle ein Humanismus treten würde, der auf Basis eines "Gutes tun ist gut, Schlechtes tun ist schlecht" - ja, genau so primitiv funktioniert Moral! - die Menschen von dieser Geisel Religion befreien würde...

  • D
    dumontlindemann

    eines versteh ich seit beginn der debatte um das "schmähvideo" nicht. wie um alles inder welt wissen denn die streng gläubigen salafisten, was in dem film dargestellt ist? soeweit ich weiß, gilt im islam ein darstellungsverbot von menschen und tieren. ein streng gläubiger salafist darf also gar keine filme gucken, in denen menschen oder tiere dargestellt werden.

     

    ausserdem setze ich € 5000 belohnung auf das auskitzeln des pakistanischen eisenbahnministers aus. Wer ihn innerhalb der nächsten 14 tage so lange auskitzelt, das bei ihm die grenze zwischen spass und ernst überschritten ist und er wütend ruft:"hör´jetzt auf, echt, is kein spass mehr.", erhält von mir die genannte summe in bar ausgezahlt.

  • J7
    Jörg 70

    Mann darf aber auch nicht auf den linken Auge blind sein, beides ist töricht und gefährlich.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Der Autor Karim El-Gawhary verkennt die Realitäten (oder möchte diese verkennen). Ein Machtkampf tobt tatsächlich hinter den Kulissen jeden Staates im Maghreb. Wer die Animositäten zwischen einzelnen Stämmen und Familienclans im Nahen Osten kennt, wird dahinter jedoch schwerlich einen Kampf der Demokraten untereinander, sondern vielmehr einen originären Kampf um Macht und Pfründe sehen.

     

    Herr El-Gawhary hat natürlich das Recht, seine Glaubensbrüder im besten Licht darzustellen. Es ändert aber nichts daran, dass Samuel Huntingtons Thesen jeden Tag mehr zur Realität werden. Der interne Machtkampf dort unten erinnert ohnehin eher an die (überaus blutigen) Kämpfe zwischen PLO und Hamas als an einen Kampf von Demokraten gegen Diktatoren.

     

    Was die (ebenso vorhersagbaren wir überflüssigen) Vergleiche von "christlichen Fundamentalisten und Konservativen" mit den Steinzeitislamisten betrifft nur soviel:

    Relativierungen als Nebelkerzen funktionieren bei dem Thema Islamismus nicht mehr.

    Die Bevölkerung hat die Fakten erkannt, auch wenn taz, SZ oder tagesschau mutig dagegen anschreiben.

  • J
    Josef Švejk

    Kulturkampf hin oder her. Erklärt die "youth bulge"-Theorie es nicht ganz plausibel, was passiert?

    Egal ob mit langem Bart oder mit Twitter. Was zählt, sind große Kohorten - und mobilisierbar weil unzufrieden aus diesem oder jenem Grund. Die Jugendlichkeit der Revolte ist das Problem. Jobs, Konsum, Aufstieg, Ressourcen...... Schauen wir mal, welche blühenden Landschaften in der Gegend demnächst erstehen. Im Zeitalter zunehmender Wasser- und Ölknappheit.

    Ob Kulturkampf oder Verteilungskampf - im Endeffekt dürfte sich das wenig nehmen.

  • KD
    Kampf der Kulturen

    Hätte mich gewundert wenn der Autor Karim El-Gawhary einen Kampf der Kulturen gesehen hätte. Was an Ägypten so einzigartig sein soll nachdem die Hamas in Gazastreifen bereits Salafisten abgeknallt hat als diese ihr die macht stretig machen wollten ist nicht so klar. Welche europäischen Konservativen herumlaufen und Moslems Köpfe abschneiden ist Karim El-Gawharys Geheimnis. Man versucht zwanghaft irgendwie alles gleich zu machen statt sich zu positionieren. Damit kommt man in der taz gut an, denn kein noch so großes Realitätsverbiegen ist doof genug wenn es Mulikulti retten soll. Bei mir in der Gegend wohnen die "Islamisch-Konservativen". Keine Salafisten. Die Kinder der "Islamisch-Konservativen" sind es welche deutsche wie alle nichtorientalischen Frauen und Mädchen belästigen und als Huren oder Schlampen betiteln. Sie sind es welche ein Zusammenleben unmöglich machen. Dagegen wollen sich immer mehr Menschen wehren. Ob im Orient noch abschäumigere Leute noch übleres Benehmen an den Tag legen und sich jetzt mit den "Islamisch-Konservativen" um die Macht prügeln ist mir egal. Es wird Zeit uns erst mal im eigenen Land zu schützen. Dagegen sollen solche Artikel helfen aber es klingt doch sehr nach Götterdämmerung.

  • PN
    Pia Nachtsheim

    Geldgier scheint mir der Name der Aktion zu sein.

     

    USA produzierten Mohammed-Schmähvideo,

    französischen Karikaturen des Propheten und gewalttätigen muslimischen Reaktionen??????

     

    Wesen Geheimdienst produzierte das Viedeo?

    Wer hat Gewinn am Krieg?

    Ist das entsorgen von Waffen durch Krieg günstiger als deren Vernichtung, weil Entsorgung vorgeschrieben scheint nach betimmter Zeit.

     

    Meiner Meinung nach, geht das nie um Religion und Ehre, es geht immer nur um Geld!

     

    Die Gier ist eine Todsünde.

  • KB
    Karin Bryant

    Dann koennen wir uns wohl sehr bald auf eine Einwaderungswelle von Salafisten

    aus Lybien gefasst machen,die behaupten werden dass Diebin ihrer Heimat politisch verfolgt werden......

  • RE
    Rudolf Eglhofer

    "Das Gebot auf beiden Seiten wäre es, gegen totalitäres, rassistisches oder religionsfeindliches Gedankengut vor der eigenen Haustür zu kehren."

    Aber klar, Karim, in Europa setzen Minister Kopfgelder auf Regisseure aus, der tobende Mob kann sich der Unterstützung weiter Bevölkerungskreise sicher sein und pünktlich zum Wochenende werden muslimische Fahnen und Botschafter verbrannt und Krankenschwestern wegen "Missionierens" ermordet.

    Oops, es ist doch nicht so?

    190 oder mehr Todesopfer rechter Gewalt in 22 Jahren in Deutschland sind zu viel, jedoch noch immer viel weniger als "Ungläubige" Tote in den muslimischen "Frühlings"-Ländern.

    Als Jude in Berlin zu leben ist schon mutig, im Jemen bis zuletzt durchzuhalten war wohl eher selbstmörderisch.

  • H
    Helene

    ...gegen totalitäres, rassistisches oder religionsfeindliches Gedankengut vor der eigenen Haustür zu kehren.... Wieso religionsfeindliche Gedankengut? Will uns der Autor einseifen? Es ist ja gerade das tiefreligiöse Gedankengut, welches im Islam Probleme bereitet. Die Islamisten legen den Koran und die Hadithen nicht aus, das Problem ist sie halten sich daran und stellen die Religion über das Menschsein. Wenn die Mehrheit tatsächlich dagegen ist, sollte es doch bei einigermaßen demokratischen Strukturen kein Problem sein sich durchzusetzen. Dazu würde auch gehören, die Ideologie aus der sich der Salafismus speist zu bekämpfen und diesen Sumpf Trocken zu legen. Das würde jedoch bedeuten, dass man die Axt direkt an den Koran anlegt und da wird sich dann die Ernsthaftigkeit der Mehrheit beweisen. Ich bin da nicht so optimistisch.