Konsequenzen aus Doping-Skandalen: ARD steigt vom Rad
Wegen Dauer-Dopings will die ARD die Tour de France 2009 nicht mehr live übertragen. Auch das ZDF macht nicht weiter. TV-rechtliche Fragen bleiben.
KÖLN taz Die ARD wird die Tour de France 2009 nicht live übertragen. Die IntendantInnen sind der Meinung, dass wegen der vielen Dopingfälle "eine breitflächige Übertragung in den öffentlich-rechtlichen Programmen auf absehbare Zeit nicht mehr zu rechtfertigen ist", erklärte der Senderverbund zum gestern Mittag auf einer Klausursitzung in Köln einstimmig gefassten Beschluss. De facto ist damit die seit Jahren praktizierte Live-Übertragung der Frankreichrundfahrt im gesamten öffentlich-rechtlichen Fernsehen gestorben: Das ZDF wollte sich seine Entscheidung zwar eigentlich weiter offen halten, wird nun aber durch die ARD-Entscheidung ebenfalls zum Verzicht gedrängt.
"Das ZDF wird die Tour de France nicht ohne die ARD übertragen und nun mit der ARD und der EBU Gespräche über die Konsequenzen führen", sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender gestern nach Bekanntwerden der ARD-Entscheidung.
Dass wird auch nötig sein, denn die European Broadcasting Union (EBU), der zumeist öffentliche-rechtliche Sender repräsentierende Rundfunk-Dachverband, hat die hat die Verträge mit dem Tour-Veranstalter ASO längst unterschrieben - und damit nach eigenem Verständnis auch für ARD und ZDF gehandelt. Intern hält die ARD dagegen: Die EBU habe die Tour-Verträge abgeschlossen, ohne zuvor ein klares Votum des Senderverbunds erhalten zu haben. Die ARD habe stets erklärt, sie sei noch mitten im Entscheidungsprozess.
Der ist nun vollendet - und der ARD-VorsitzendeFritz Raff ein Problem los: Schließlich ist der von ihm geführte Saarländische Rundfunk nach der ARD-internen Sportarten-Verteilung für's Radeln zuständig. "Der sportliche Wert der Tour de France hat sich aufgrund der gehäuften Dopingfälle und der daraus gewonnenen Erkenntnisse erheblich reduziert", sagte Raff gestern. Damit sei "auch der programmliche Wert stark gesunken." Dumm da steht nun ein anderer ARD-Grande, der eigentlich schon im Ruhestand ist: Der ehemalige WDR-Intendant und bekennende Radsport-Fan Fritz Pleitgen vertritt die deutschen Öffentlich-Rechtlichen nach wie vor in der EBU.
Wie die vertragsrechtlichen Probleme nun gelöst werden, bleibt spannend: ZDF-Chefredakteur Bernder hatte noch am Mittwochabend im NDR-Medienmagazin "Zapp" erklärt, die EBU-Vereinbarung sei bindend und trage mit diversen Klauseln den Forderungen von ARD und ZDF nach den Tour-Erfahrungen 2007 und 2008 Rechnung. Mit den hierin vorgesehene Anti-Doping-Bestimmungen allerdings schon jetzt einen Komplett-Ausstieg aus der Live-Berichterstattung lange vor Tour-Beginn zu begründen, dürfte schwierig werden.
Beim Team Milram, dem letzten verbleibenden deutschen Profi-Rennstall der Tour, findet man den ARD/ZDF-Ausstieg "bedauerlich". Es hänge nun viel davon ab, wie es weitergeht, zunächst müsse man sich aber erst einmal sammeln, sagte Milram-Sprecher Stephan Flock.
Falls damit allerdings leise Hoffnungen gemeint sind, dass anstelle von ARD und ZDF nun die Privaten einsteigen, dürfte die Enttäuschung nicht lange auf sich warten lassen: Sat.1, der Sender, der 2007 beim ARD/ZDF-Ausstieg während der laufenden Tour die Live-Übertragung übernahm, winkte gestern ab. "Die Quoten haben uns gezeigt: Die Tour de France ist kein massenrelevantes Sportereignis mehr", sagte Sat.1-Sprecherin Kristina Faßler gestern der taz: "Deshalb ganz klar: Nein, wir sind nicht interessiert".
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