Konsens über den Reformationstag: Hauptsache Feiertag
Auf der Suche nach dem Ursprung des Reformationstages als Feiertag stößt man vor allem auf Pragmatismus. Der Anlass erscheint nebensächlich.
Unendlich ist möglicherweise übertrieben, aber lang ist die Geschichte dieses neuen Feiertags schon, zumindest wenn man sie in den Legislaturzeitkategorien der Politik betrachtet. Und interessant, wenn man sie als Anschauungsbeispiel dafür nimmt, wann und warum politische Forderungen gegen alle Wahrscheinlichkeit irgendwann doch Realität werden.
Die ersten Forderungen, den Reformationstag zu einem gesetzlichen Feiertag zu machen, findet man im Jahr 2014, wobei sich da eine bezeichnende Gleichgültigkeit beimischt. Die niedersächsische CDU brachte, ausgehend von dem Wunsch, die Bedeutung der Kirchen grundsätzlich zu würdigen, die Forderung im Kultusausschuss auf. Sie stieß bei den Anhörungen dazu auf ein gemischtes Echo, sowohl Vertreter der katholischen und jüdischen Gemeinde als auch der Humanistischen Union hatten Vorbehalte, woraufhin die CDU sich stattdessen den der Pflegeversicherung zum Opfer gefallenen Buß- und Bettag auf die Fahnen schrieb. Doch der Vorschlag scheiterte am Veto von SPD und Grünen.
Die neue Einigkeit
Fragt man nach den Gründen, so erhält man aus der Pressestelle der niedersächsischen CDU-Fraktion eine sehr pragmatische Antwort: Rot-Grün habe die Mehrheit gehabt und der Antrag sei von der Opposition gekommen.
Frauke Heiligenstadt von der SPD dagegen ist nur bedingt eine gute Quelle, als damalige Kultusministerin hat sie zwar den Vorstoß zum Buß- und Bettag abgelehnt, im Kultusausschuss dagegen war sie nicht stimmberechtigt. Zitieren darf man sie damit, dass sie den jetzigen Vorschlag der Landesregierung unterstützt. Was hatte der Pressesprecher der CDU-Fraktion zur Erforschung der Vergangenheit gesagt: „Es war ein oppositioneller Antrag der CDU, jetzt arbeiten wir zusammen“.
Pragmatismus findet sich auch bei anderen Vätern und Müttern des neuen Feiertags: die Bremer SPD fordert 2017 zwar einen weiteren Feiertag – aber schlägt gleich drei mögliche vor: den 8. Mai als Tag der Befreiung von der NS-Diktatur, den Internationalen Frauentag am 8. März oder aber den Reformationstag. Das Entscheidungskriterium: Der Feiertag „sollte möglichst breit gesellschaftlich getragen sein“. Zuvor hatte sich auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, für einen weiteren kirchlichen Feiertag ausgesprochen – aber noch zwischen der Wiedereinführung des Buß- und Bettages und dem Reformationstag geschwankt.
Da war 2017 die schleswig-holsteinische SPD schon eindeutiger und schrieb die Forderung nach einem gesetzlichen Feiertag am 31.Oktober in ihr Wahlprogramm – eingeleitet von der Begründung, dass Bayern 13 gesetzliche Feiertage habe, Schleswig-Holstein dagegen nur neun. Eine inhaltliche Begründung für den Reformationstag selbst gibt es nicht.
Dass die fehlt, treibt unter anderem Christiane Schneider von der Hamburger Linken um. Sie hielt – vergebens – eine Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft, um die Abgeordneten für einen Feiertag am 8. Mai zu überzeugen. Warum die Mehrheit, die sie für nicht protestantisch hält, dennoch in freier Abstimmung für den 31. Oktober votiert hat, versteht sie nicht. Schneider gesteht Luther und der Reformation durchaus aufklärerische Qualitäten zu – aber für sie wiegt seine Unterstützung der Obrigkeiten und der, so sagt sie, Verrat an dem Bauernführer Müntzer, zu stark, um ihn als Identifikationsfigur gelten zu lassen.
Nähe zwischen SPD und Kirche
Dass die vier SPD-Ministerpräsidenten sich vorab auf den Reformationsfeiertag festgelegt haben, ist für Schneider letzten Endes nur Zeichen dafür, dass sie mit eben jenem Ducken unter die Autoritäten sympathisieren. Und für eine Nähe zwischen Sozialdemokraten und Amtskirche.
Fragt man bei einem solchen Vertreter nach, hört man erst einmal eine gewisse Überraschung. Eines ist sicher, sagt der Hamburger Pastor Torsten Morche, hätte die Kirche selbst den Feiertag gefordert, wäre das „sonderbar“ gewesen. So freue man sich, zumindest mehrheitlich, denn in dem vielstimmigen Haus der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) finden sich sogar Stimmen, die lieber den 27. Januar, den Tag der Befreiung des KZ Auschwitz, als gesetzlichen Feiertag gesehen hätten. Nun ist es der 31. Oktober und, zumindest für Morche, ein Tag und Luther ein Mann, der auch säkular anschlussfähig ist: als jemand, der sich für Freiheit und Gerechtigkeit eingesetzt habe. Nun, so sagt es der welterfahrene Morche, müsse man nur den Kindern erklären, warum sie an Halloween schulfrei hätten.
Kehrt man zurück zur Suche nach der Wurzel, findet man erneut Pragmatismus: den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag haben gleich beide Spitzenkandidaten im niedersächsischen Wahlkampf gefordert: der SPD-Mann Weil und der CDU-Mann Althusmann. Für Althusmann eine sozusagen bewährte Idee. Ob Weil, der sich trotz Kirchenaustritts als Katholik begreift, von der allgemeinen Euphorie fürs Reformationsjubiläum profitieren wollte, lässt sich nur spekulieren. Sicher ist: Ein doppeltes Wahlversprechen lässt sich nur mühsam unter den Tisch kehren.
Vermutlich hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Niedersachsen in seiner Mitteilung zum Gesetzesvorhaben die Zeichen der Zeit am klarsten erkannt: „Die Menschen haben sich diesen zusätzlichen freien Tag verdient“, heißt es da. Was für einer es ist, wird nicht erwähnt.
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