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Konjunkturhilfen für ForstwirtschaftMeister des Lobbyismus

Kommentar von Ulrike Fokken

Die Forstwirtschaft hat es verstanden, ihre Pläne der Landwirtschaftsministerin als „nachhaltig“ unterzujubeln. Auf der Strecke bleibt die Ökologie.

Durch Trockenheit geschwächte und vom Borkenkäfer befallene Bäume müssen gefällt werden Foto: Matthias Bein/dpa

A ngeblich klamm, doch eher heimlich haben die Lobbyisten der Forstwirtschaft es im Lockdown geschafft: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) schanzt ihnen 500 Millionen Euro „Nachhaltigkeitsprämie“ aus den Konjunkturhilfen zu. Ein paar Hundert Großwaldbesitzer mit Tausend bis mehreren Zehntausend Hektar und die 1,8 Millionen Kleinwaldbesitzer mit 1, 5 oder 12 Hektar Wald erhalten ab sofort 100 Euro pro Hektar. Sie müssen keine Dürre- oder Coronaschäden nachweisen, müssen auch keinen einzigen Laubbaum säen oder die biologische Vielfalt in ihrem Wald fördern. Sie müssen nur ihren Forst bis September 2021 nach den Kriterien des von Forst- und Sägemühlenbesitzern gelenkten Verbands PEFC oder der Organisationen FSC und Naturland zertifizieren lassen.

Klöckners „Nachhaltigkeitsprämie“ ist nichts anderes als die Abwrackprämie, mit der die Bundesregierung vor ein paar Jahren die am Diesel- und Ottomotor hängende Autoindustrie subventionierte. Damit verzögerte dieselbe Bundeskanzlerin wie heute die Ausrichtung auf eine umweltverträgliche Mobilität. Das rächt sich – die deutschen Autokonzerne haben keine wettbewerbsfähigen klimaverträglichen Autos entwickelt und deshalb vergangene Woche mal wieder 3 Milliarden Euro aus der Steuerkasse für den Strukturwandel erhalten. Ein derartiges Meisterstück des Lobbyismus haben die Waldeigentümer nun auch geschafft – sie bekommen Geld und bewahren die Forstwirtschaft vor dem Strukturwandel in Zeiten der Erderwärmung.

Offensichtlich glaubt Klöckner die Erzählungen der Großwaldbesitzer in den Forstwirtschaftsverbänden Die Privatwaldbetriebe und Die Waldeigentümer. Sie hängen ihr am Ohr, so wie die Vorstände der Autokonzerne im Kanzleramt Gehör finden. Um an die Coronahilfen zu gelangen, hat zudem der Lobbyist der beiden Forstverbände im Landwirtschaftsministerium vorgesprochen und die Vorstellungen der Waldbesitzer in den Block des Abteilungsleiters „Wald, Nachhaltigkeit, Nachwachsende Rohstoffe“ diktiert. Dabei hat er gleich die ökologisch sinnvollen Forderungen des Bundesumweltministeriums abgeräumt, heißt es im Ministerium. Das Umweltministerium wollte Flächen aus der Nutzung nehmen und Waldbesitzer dafür entschädigen. „Stilllegung“ nennen das die Forstwirtschaftsverbände, Ökologen sprechen von natürlicher Waldentwicklung. Denn nur wo sich Bäume, Pilze, Käfer und all die anderen Lebewesen ungestört von Harvestern entwickeln können, entstehen die Waldökosysteme, die im Klimawandel leben können. Dort entwickelt sich die genetische Software, die unsere Nachfahren brauchen, um überhaupt Bäume und Wald zu erleben.

Zum Meisterstück der Aneignung von einer halben Milliarde Euro gehört auch, dass die Großwaldbesitzer der von ihnen kontrollierten Zertifizierungsgesellschaft PEFC Neukunden vermitteln. Damit kontrollieren sie all die bislang nicht zertifizierten Waldbesitzer, die im PEFC-Verbund nicht mehr aus der reinen Forstwirtschaftslehre ausscheren können.

Nachhaltigkeit im Wald bedeutet nicht, was sich umweltbewusste Menschen unter Nachhaltigkeit vorstellen

Nachhaltigkeit im Wald bedeutet nicht, was sich umweltbewusste Menschen unter Nachhaltigkeit vorstellen. Nachhaltige Forstwirtschaft bedeutet, dass Förster für den Wirtschaftsbetrieb pflanzen und den Vorrat, vulgo Bäume, mehren. Damit die Erntemaschinen gut ans Holz kommen, wachsen im nachhaltigen Forst die Bäume in Reihe. Förster besprühen sie aus der Luft mit Pestiziden gegen Käfer, drainieren, kalken und entwässern den Boden und schlagen alle drei bis fünf Jahre die für die Zukunft ausgewählten Bäume frei. Förster lichten damit das Kronendach, was einer von vielen forstwirtschaftlichen Gründen für die Dürreschäden ist. Wälder trocknen schneller aus, wenn die Baumkronen nicht den Boden beschatten und die von Bäumen ausgeatmete Feuchtigkeit unter dem Blätterdach im Wald halten. Die von Försters Säge vereinzelten Bäume haben zudem individuell schlechtere Lebenschancen. Bäume sind keine Einzelkämpfer, sondern tauschen über ihre verbundenen Wurzeln Nährstoffe und Wasser untereinander aus. Allein gestellt, vertrocknen sie schneller. Ein weiterer Grund für 300.000 Hektar vertrocknete Bäume in deutschen Forsten sind die Forststraßen. Sie bilden ein enges Netz der Logistik, durch das heiße Luft in den Wald strömt und Boden und Bäume föhnt.

Forstwirtschaft am Ende

Nachhaltigkeit hat nichts mit Wald oder mit Ökologie gemein. Es ist ein Wirtschaftskonzept. Im Dürrejahr 2020 starb daher nicht der Wald, sondern die Wirtschaftsform Forst begann zu siechen. Viele Forstwirtschaftsbetriebe und Waldbesitzer wissen natürlich, dass ihr System der traditionellen Forstwirtschaft am Ende ist. Sie wollen aber nicht loslassen von der stetig wachsenden Geldvermehrung aus CO2 und Licht. Und deswegen arbeiten die Waldeigentümer längst an einer noch viel größeren Erzählung, die den Rohstoff vergoldet, mit dem außer ihnen niemand etwas anfangen kann: CO2.

Waldbesitzer erzählen nun, dass Jungbäume und Pflanzungen die beste Art seien, CO2 zu binden, es also dem Klimaschutz diene, Platz in Wäldern zu schaffen und mit schnell wachsenden Bäumen, auch genetisch manipuliert, aufzuforsten. Wissenschaftlich ist das falsch. Alte Bäume, Totholz und Böden in Wäldern speichern mehr CO2 als Forstplantagen. Doch es hört sich so verlockend an, dass Aufforstungen der Politik die Last der CO2-Minderung abnehmen. Buchen pflanzen für den SUV klingt einfacher, als die Industrie zu klimaverträglichen Kleinwagen zu bringen. Die Waldbesitzer wollen politisch durchsetzen, dass ihre Forste eine CO2-Flächenprämie von 112,50 Euro pro Hektar aus dem Klimafonds der Bundesregierung erhalten. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt, um Forste als die nature based solutions in den EU-Verhandlungen des Green New Deal durchzubringen. Dann heißt es Buchen zu Benzin, Fichten pflanzen für Kohlekraftwerke. Das ist für den Wald wesentlich gefährlicher als alles, was Nachhaltigkeit bisher angerichtet hat.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Sehr geehrte Frau Fokken,

    ich teile Ihre Kritik an pauschalen Fördermitteln nach dem Gießkannenprinzip in gewissen Teilen. Allerdings bitte ich inhaltlich folgendes zu beachten:



    Ein unberührter Wald speichert nur so lange CO2, bis er natürlich verfällt. Absterbende Bäume setzen das bis dahin gebundene CO2 wieder frei.

    Gleichzeitig sollten wir so ehrlich sein, dass wir Rohstoffe benötigen, um z.B. Möbel oder Häuser zu bauen, denn auch wenn wir das Klima schützen wollen, so verzichten wir vermutlich nicht plötzlich auf den "Luxus" eines Daches über dem Kopf und eines darin befindlichen Tisches, an dem wir sitzen und unsere Mahlzeit zu uns nehmen können. Auch erklären Sie mir bitte, woher der Zellstoff für Papier kommen soll, wenn wir unsere Wälder nicht mehr nutzen.

    Holz ist ein einzigartiger Rohstoff, der natürlich nachwächst und während seines Wachstums CO2 bindet. Und auch wenn sie die forstliche Nachhaltigkeit anprangern als eine rein wirtschaftliche Sicht auf den Wald, so zeigen Sie mir bitte, welche Rohstoffe Sie dann nutzen möchten und woher diese stammen sollen, wenn wir unsere Wälder vor der Haustüre für unser Gewissen nicht mehr anrühren. Beton? Öl? Oh, die Klimabilanz... Dann vielleicht Holz aus dem Ausland? Da wird aber nicht nachhaltig gewirtschaftet, Wälder werden übernutzt. Macht es das besser? Warum denn nicht vor Ort nachhaltig Holz nutzen und damit auch das gebundene CO2 langfristig speichern, das ist doch eine Chance im Klimawandel!

    Natürlich gehört zu einer Klimastrategie mehr, als pauschal Flächenprämien zu verteilen. Auch können wir nicht "Weiter-so" auf Wachstum setzen und nur alles durch Holz ersetzen. Es bedarf langfristiger Strategien, Sparsamkeit, doch eben auch einer nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen, so dass unsere nachfolgenden Generationen noch eine Chance haben, ihr Leben in Sicherheit und Gesundheit auf dieser Erde zu leben.

    Mit besten Grüßen

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Zitat: "Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) schanzt ihnen 500 Millionen Euro „Nachhaltigkeitsprämie“ aus den Konjunkturhilfen zu. "

    Da ist er ja, der Job nach dem Ministeramt. Ich könnte k....

  • Unabhängige Berichterstattung ist wichtig und man kann die Maßnahmen zur Förderung der Forstwirtschaft durchaus kritisieren, jedoch ist dieser Beitrag sehr fehlerhaft. Es scheint, als hätte man Peter Wohlleben als Quelle hier genutzt, statt Wissenschaftler. Hier die wesentlichen Punkte:

    1. Alte Wälder speichern mehr Kohlenstoff, aber sequestrieren weniger.



    2. Durchforsten senkt die Mortalität von Bäumen in Trockenjahren, aber kann negative Folgen für die Verjüngung haben durch die Änderung des Mikroklima.



    3. Nicht nur natürliche Wälder werden den Klimawandel aushalten. Anpassung kann sogar schneller gehen durch ein vorausschauendes Management, z.B. durch einbringen von Baumarten, die im zukünftigen Klima bessere Chancen haben.



    4. Bäume können sich tatsächlich austauschen, das passiert aber wahrscheinlich unfreiwillig und es gibt einen regelrechten Kampf um knappe Resource.

    Sie werden diese Punkte anhand zahlreicher Publikationen belegen können. Ich rate bei der Berichterstattung zu mehr vorsichtig und mehr wissenschaftlichem Hintergrund.

    • @Waldforscher:

      zu 1: stimmt> alte Altersklassenwälder mit Bäumen eines Alters haben nur wenig Zuwachs bzw. verringert sich die CO2 Speicherung. "Alter Wald" bedeutet allerdings nicht, daß alle Bäume das gleiche Alter haben!



      zu 2: das "Durchforsten" ist nicht unbedingt anzuraten. Ist eine veraltete Massnahme der Altersklassenwirtschaft ...



      zu 3: u.a. deshalb erscheint die naturgemäße Dauerwaldwirtschaft als guter Kompromiss zwischen Prozesschutzwald und Altersklassenwald.



      zu 4.: nicht alle Baumarten stehen in Konkurrenz zueinander. :



      www.ted.com/talks/..._other?language=de







      EIniger der wenigen Wälder in Deutschland, die schon seit längerer Zeit entsprechend der naturgemäßen Dauerwldwirtschaft bewirtschaftet werden sind einige Bereiche im Danneröder Wald, die jetzt für den Weiterbau der A49 zerstört werden.

      zur Info:



      www.buzzsprout.com...1786&download=true

  • Hallo,

    wenn am WE ein paar Minuten Zeit sind, vielleicht mal anschauen :



    www.br.de/mediathe...c4342cff001a53f89d

    Hier werden/wurden Existenzen vernichtet.



    Die paar Euro pro Hektar sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein....

    Die „dickste Kohle“ hätten Waldbesitzer gemacht, wenn sie vor einigen Jahren den Wald bei Festmeterpreisen um 90 Euro einfach weggedroschen hätten. Haben 99 Prozent nicht, sondern es wird seit Jahren der Umbau zum Mischwald vorangetrieben - nun kamen eben die massiven Schäden aufeinmal.



    Bitte auch schlau machen, warum in der Vergangenheit soviel Fichte gepflanzt wurde - hat ein wenig mit dem schnellen Wachstum und dem Wiederaufbau nach WW2 zu tun.



    Ich lade auch gerne jeden Leser zum Setzlinge pflanzen ein. Bei Interesse einfach die Mailadresse hinterlassen.



    Schöne Grüße

  • Genau richtig! Naturwälder speichern weniger CO2 als Wirtschaftswälder. Das liegt daran, dass in Wirtschaftswäldern immer wieder Holz entnommen wird und langfristig z.b. als Bauholz verwendet wird. Während es in Naturwäldern in wenigen Jahrzehnten verrottet.



    Die Forstwirtschaft ist also ein Teil der Lösung um dem Klimawandel entgegenzutreten.

  • Liebe Frau Fokken,

    Danke für den Artikel! Im ersten Teil stimme ich mit Ihnen völlig zu, einfach Geld an Forstbesitzer auszuschütten halte ich ebenfalls für Unsinn. Jene die im Besitz mehrerer Hektar Wald sind brauchen keine finanzielle Hilfe.

    Im Zweiten teil Monieren sie die Forstwirtschaft an sich. Ich bin Ökologe und ich persönlich hätte auch gerne überall in D Bannwald. Dann stellt sich mir aber die Frage; sollte ich keine Holzprodukte mehr verwenden, also von nun an nur noch Plastikmöbel kaufen und Betonhäuser bauen, dessen CO2 Bilanzen wesentlich schlechter sind (ganz zu schweigen von Qualität und Ästhetik)? Oder kehre ich vor meiner Haustür und Importiere das Holz von sonst wo her, wo es überhaupt keine Regulierungen für den Naturschutz gibt.

    Wir Brauchen also Holz und daher eine aus ökologisch sinnvolle Bewirtschaftung. Und da gibt es schon einige Ansätze. z.B. Sind die Förster verpflichtet pro ha eine gewisse Menge an Bäumen als "Habitatbaum" auszuweisen, die auf (deren) Lebenszeit aus der Nutzung genommen werden in BaWü ist das das Alt- und Totholzkonzept in den anderen Bundesländern gibt es ähnliche Konzepte und sie werden von den Förstern gut umgesetzt.



    Sie kritisieren die sogenannte Einzelbaumbewirtschaftung, die dazu führt, dass die Waldböden schneller austrocknen. Das stimmt auch, aber diese Einzelbaum Bewirtschaftung wurde aus Naturschutzgründen eingeführt und löste den Kahlschlag in den 90ern ab, der wesentlich verheerendere Auswirkungen auf die Kontinuität und damit auf die Ökosystemfunktionen des Waldes hat. Das Ernten einzelner Bäume, soll dabei das natürliche Auflichten des Waldes durch absterbende Bäume mimen. Diese extreme Trocknis der letzten Jahre wurde damals natürlich nicht berücksichtigt.

    Natürlich sollte noch mehr getan werden, aber es ist nicht ganz so schwarz wie im Artikel beschrieben.

  • Das ist eine Unverschämtheit.

    Coronahilfen für Großwaldbesitzer für nix.

    Oder Klimahilfen.



    Dabei hilft man so dem Klima nicht.

  • taz: "Wissenschaftlich ist das falsch. Alte Bäume, Totholz und Böden in Wäldern speichern mehr CO2 als Forstplantagen." ...auch das muss nicht stimmen. Alte Bäume verrotten am Ende. ZUNEHMEND CO2 speichern Waldböden nur dann, wenn ihre Humusschicht unter weitgehend anaeroben Bedingungen in die Tiefe bzw Höhe wächst, wie in Sümpfen, Hoch- und Torfmooren. Bleibt die Schichtdicke des Humus hingegen konstant - wie im Amazon - scheiden solche Wälder zumindest kein neues CO2 ab.