Kongo: Entscheidungsschlacht gegen Nkunda
Die Regierungsarmee startet eine Großoffensive gegen Laurent Nkundas Tutsi-Rebellen im Ostkongo. Der regionale Krisengipfel mit den USA ist gescheitert.
Die Kämpfe sind laut Augenzeugen von beispielloser Heftigkeit. Kongolesische Zeitungen sprechen vom "totalen Krieg". Seit Montag wird an allen Fronten der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, wo sich Regierungsarmee und Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda gegenüberstehen, erbittert gekämpft.
Kongos Armee hat über 20.000 Soldaten in die Schlacht mit 4.000 Rebellen geworfen und massiv schwere Artillerie ins Kampfgebiet gebracht. Gestern meldete sie die Eroberung der Rebellenbasis Mushake in den Masisi-Bergen westlich von Goma. "Die 82. Brigade steht in Mushake", sagte Armeechef Dieudonné Kayembe in Goma. Am Wochenende hatten Nkundas Rebellen ihrerseits die Regierungsbasis Nyanzale nördlich von Goma erobert. Sie erbeuteten dabei acht Tonnen Munition.
Die Eskalation trifft vor allem die Zivilbevölkerung. Seit Wochenbeginn ist die gesamte humanitäre Hilfe in Nord-Kivu außerhalb Gomas und Umgebung eingestellt. Nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms schneidet diese von der UN-Mission im Kongo (Monuc) verfügte Maßnahme 300.000 Flüchtlinge von jeglicher Versorgung ab. Nord-Kivu zählt 800.000 Kriegsvertriebene; 437.000 davon sind nach UN-Angaben dieses Jahr geflohen, mehr als in jedem anderen Konfliktgebiet der Welt. Nur 50.000 davon seien noch für die Hilfsorganisationen erreichbar.
Laut Informationen der taz hat die Monuc das UN-Personal in Goma angewiesen, sich auf die Evakuierung vorzubereiten. Dies wurde gestern dementiert - halbherzig. "Wir sind immer auf Evakuierung vorbereitet", sagte Monuc-Sprecher Kemal Saiki. Ein UN-Mitarbeiter in Goma erklärt, man sei diese Woche neu an bestehende Bestimmungen erinnert worden. Nach internen UN-Sicherheitshinweisen, die der taz vorliegen, sollen alle UN-Mitarbeiter in Goma einen Notfallkoffer bereithalten, nachts Funkgeräte anlassen und schusssichere Westen griffbereit halten.
Kongos UN-Blauhelme unterstützen die Regierungsoffensive. Allein seit Dienstag hätten UN-Hubschrauber 3,4 Tonnen Munition an die Front geflogen und mindestens 40 Verwundete evakuiert, bestätigt Monuc-Sprecher Saiki. Direkt mitgekämpft hätten die derzeit 4.800 Blauhelmsoldaten in Nord-Kivu nicht - weil Kongos Armee das nicht verlangt habe. Aber "wir haben explizit gesagt, dass wir zur Unterstützung bereit sind". Möglich sei ein Raketenbeschuss von Rebellenstellungen. UN-Truppen und Regierungsarmee teilen sich ein Feldhauptquartier im Ort Sake.
Offiziell begründet die Regierung ihren Krieg gegen Nkunda damit, der Rebell verweigere seine Eingliederung in die integrierte nationale Armee. Aber die 82. Brigade der Regierung, die als Eroberer Mushakes genannt worden ist, zählt auch nicht zur integrierten nationalen Armee. Zudem bestätigen unabhängige Beobachter, dass Kongos Armee mit ruandischen Hutu-Milizen zusammenarbeitet - damit begründet Nkunda seinen Krieg.
Die jüngste Eskalation kommt pünktlich zu einem Gipfel in Äthiopien, bei dem US-Außenministerin Condoleezza Rice gestern mit den Präsidenten Kongos, Ugandas, Ruandas und Burundis zusammentreffen wollte. Kongos Präsident Joseph Kabila kam aber nicht, und konkrete Ergebnisse gab es auch nicht. "Wir haben uns verpflichtet, weiterhin nach Lösungen zu suchen", sagte Ruandas Präsident Paul Kagame.
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