Kongo-Brazzaville wirft Ausländer raus: „Barbarische“ Deportationen
An die 60.000 Menschen wurden bislang aus Brazzaville über den Fluss nach Kinshasa deportiert. Viele campieren seitdem mittellos unter freiem Himmel.
BERLIN taz | Die andauernden Massendeportationen mutmaßlicher illegaler Migranten aus Kongo-Brazzaville über den Kongo-Fluss in die Hauptstadt ihres Heimatlandes Demokratische Republik Kongo, Kinshasa, sorgen zunehmend für Probleme. 59.222 Ankömmlinge wurden bis zum 1. Mai registriert, 40 Prozent davon Kinder, sagte der Innenminister der Demokratischen Republik Kongo, Richard Muyej, am Freitag in einer Pressekonferenz in Kinshasa – Anfang der Woche waren es erst 36.000 gewesen.
Zunehmend ergreifen Bürger Kinshasas auch von selbst die Flucht aus Brazzaville, bevor sie verhaftet und auf die Fähre über den Kongo gesetzt werden, heißt es in Berichten. Amtlichen Schätzungen zufolge leben in Kongo-Brazzaville 400.000 Staatsbürger des viel größeren Nachbarlandes – ein Zehntel der Bevölkerung.
Viele der Deportierten werden am Hafen von Kinshasa von den Behörden in ein Sportstadion gebracht, wo sie unter freiem Himmel schlafen und kaum versorgt werden. Es wurden zwar von der Stadtverwaltung Toiletten installiert, aber sie sind gebührenpflichtig und so warten die meist komplett mittellosen Deportierten, bis sie sich nachts hinausschleichen und die Straßengräben vollmachen können, kritisieren Zeitungen in Kinshasa.
Kirchliche Organisationen haben begonnen, Lebensmittel und Trinkwasser zu verteilen, aber die Situation bleibt aufgrund der Hitze, tropischer Regenfälle und immer neuer Ankünfte „extrem schwierig“, schreibt die oppositionsnahe Tageszeitung Le Phare. Das Rote Kreuz hat zwar Zelte aufgestellt, aber es sind viel zu wenige.
Schlafplatz nur gegen Geld
Der UN-finanzierte Radiosender „Radio Okapi“ berichtet, selbst Zeltschlafplätze und Decken gebe es im Stadion inzwischen nur gegen Geld. Cécille Kutenalu, Ärztin in einer von den Behörden eingerichteten mobilen Klinik, berichtete am Wochenende von „Traumatisierung, Malaria und Anfällen“ bei Kindern und Neuankömmlingen mit entzündeten Wunden.
In Brazzaville werden die Massendeportationen als notwendige Schutzmaßnahme gegen den Zustrom flüchtiger Kleinkrimineller aus Kinshasa dargestellt – Kinshasas Behörden führen seit einem halben Jahr in den Slums regelmäßige von Übergriffen begleitete Razzien gegen Straßengangs durch. Deren Mitglieder sollen sich über den Fluss nach Brazzaville verzogen haben.
Aber Le Phare führt auf, was jetzt in Kinshasa an Deportierten ankommt: „Schwangere Frauen oder Mütter mit Babies, Bürokraten, Elektriker, Schneider, Bauern, Handwerker, Maurer, Fahrer, Tischler, Ziegelmacher, Händler, Besitzer von Bäckereien oder Garagen“. Es seien „zu viele, um sie zu versorgen“.
Kinshasas führende Menschenrechtsorganisation Stimme der Stimmlosen erklärte, das berechtigte Vorgehen der Regierung Brazzavilles gegen illegale Einwanderung „rechtfertigt nicht die massiven Menschenrechtsverletzungen“ wie die „Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, Zwangstrennung von Kindern und Eltern und von Frauen von ihren Ehemännern“.
Inzwischen fliehen auch Bürger Kongo-Brazzavilles aus Kinshasa in ihre Heimat, berichten Medien. Der Brazzaviller Radiosender „Star du Congo“ berichtete, die Flüchtigen würden mit „zerrissenen Kleidern und Hämatomen im Gesicht“ ankommen.
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