Konflikt zwischen Serbien und Kosovo: Kompromiss bei Einreiseregeln
Inhaber von kosovarischen Ausweisen sollen künftig ohne weitere Dokumente einreisen dürfen. Dem hat Serbien laut des EU-Außenbeauftragten zugestimmt.
Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell haben Serbien und Kosovo am Freitag, kurz vor Ende der Frist am 1. September, das Schlimmste abgewendet. Die serbische Seite hatte seit Wochen mit Konflikten innerhalb Kosovos und sogar mit dem Einsatz von Militär an den Grenzen gedroht. So mobilisierte Serbien mit Unterstützung der Geheimdienste und radikaler Nationalisten die serbische Bevölkerung in Nord-Kosovo, das an Serbien angrenzt und bisher noch nicht vollständig in den Staat Kosovo integriert ist. Die serbische Propaganda posaunte, Kosovo wolle alle Serben aus dem Land vertreiben.
Gegenüber der EU protestierte Serbien gegen die Absicht der Kosovo-Regierung, serbische Pässe und Autokennzeichen nicht mehr anzuerkennen. Kosovo forderte im Gegenzug, dass Serbien kosovarische Reisepässe und Autokennzeichen anerkennen, also Reisefreiheit gewährleisten und die Diskriminierung von Kosovaren einstellen sollte.
Kosovos Ministerpräsident Kurti besteht auf dem „Reziprozitätsprinzip“ und wollte gegen Serben die Bestimmungen anwenden, die Serbien selbst gegen Kosovo praktiziert. Er setzte Serbien eine Frist bis 1. August, seinen Forderungen nachzukommen. Durch die Intervention der EU und der USA wurde diese Frist bis zum 1. September verlängert. Deshalb versuchte Borrell jetzt fieberhaft zu vermitteln.
Der von Borrell vermittelte Kompromiss ist nur ein halber
„Wir haben einen Deal“, twitterte Borrell am Samstag und sprach, sich selbst lobend, von einer „europäischen Lösung“. Auch wenn dieses Wort ein bisschen hochgegriffen erscheint, ist es immerhin gelungen, Serbien davon zu überzeugen, die albanische Bevölkerung Kosovos künftig mit ihren eigenen Dokumenten nach Serbien einreisen zu lassen. Im Gegenzug hat Kosovo den Plan fallengelassen, die Einreise von Angehörigen der serbischen Minderheit im Kosovo zu erschweren. Weiterhin dürfen alle serbischen Staatsbürger frei nach Kosovo reisen – Serben in Kosovo besitzen in der Regel ohnehin die doppelte Staatsbürgerschaft.
Doch am Punkt der Autokennzeichen ist man keinen Schritt weitergekommen. Für Aleksandar Vućič, den serbischen Präsidenten, ist ein Einlenken in dieser Frage bisher undenkbar. Würden nämlich Kosovaren mit ihren Autoschildern durch Serbien fahren können, hätte Kosovo einen Schritt hin zur Anerkennung durch Serbien erreicht. Da Serbien aber Kosovo weiterhin als Teil Serbiens ansieht, wäre das in der Tat ein Bruch mit der bisherigen serbischen Staatsideologie.
Deshalb ist der von Borrell vermittelte Kompromiss nur ein halber. Am grundsätzlichen Konflikt ändert sich nichts.
Regierungspolitiker aus Serbien und Kosovo begrüßten die nun getroffene Einigung zurückhaltend. Kosovos Ministerpräsident Kurti würdigte bei Facebook zwar die Arbeit der Vermittler der EU und der USA, bestand aber weiterhin auf dem Prinzip der Gleichberechtigung. Aus Belgrad äußerte sich nur der Regierungsbeauftragte für Kosovo, Petar Petković. Er betonte, dass die Reiseerleichterungen für Kosovaren nicht als Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos durch Serbien ausgelegt werden dürfen.
Serbiens politische Führung äußert sich nicht
Serbiens Präsident Aleksandar Vućić und Ministerpräsidentin Ana Brnabić äußerten sich nicht. Trotzdem dankte Borrel Vućić für sein Einlenken. Hinsichtlich der weiterhin fehlenden gegenseitigen Anerkennung von KFZ-Kennzeichen rief Borrell beide Seiten zu „Pragmatismus und Konstruktivität“ auf.
Trotz dieses diplomatischen Geklimpers ist allen Beteiligten klar, dass dieses halbe Abkommen nicht ausreicht, den grundsätzlichen Gegensatz zwischen Serbien und Kosovo auszuräumen. Dabei kann sich Serbien auf die Unterstützung Russlands verlassen. Die russische Propaganda hat bisher nur das serbische Narrativ des Konflikts verbreitet, russische „Militärberater“ verfügen in der südserbischen Stadt Niš über einen Stützpunkt. In Kosovo ist die Nato stationiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!