piwik no script img

Konflikt zwischen Israel und PalästinaUnruhen in Jerusalem dauern an

Fast vier Monate nach dem Mord an einem palästinensischen Jugendlichen kommt es regelmäßig zu Gewalt zwischen Palästinensern und Juden.

Israelische Soldaten beschützen das Haus neuer Siedler in Silwan, Ost-Jerusalem. Bild: dpa

JERUSALEM taz | Der Umzug Dutzender israelischer Siedler in das dichtbevölkerte palästinensische Wohnviertel Silwan ist Öl auf das Feuer der seit Wochen andauernden Unruhen in Ostjerusalem. Zuletzt erreichten die meist jungen Anhänger des nationalreligiösen Lagers am späten Montagabend zwei Gebäude mit vier beziehungsweise fünf Wohnungen. Noch in derselben Nacht warfen palästinensische Anwohner Brandbomben auf die unerwünschten neuen Nachbarn. Die Häuser waren zuvor mittels eines Strohmannes legal erstanden worden.

Schon vor drei Wochen waren mehrere Dutzend Israelis in sieben Häuser in Silwan mit insgesamt 25 Wohnungen eingezogen. Eine Zeitungsannonce, die das linksliberale Blatt Ha’aretz veröffentlichte, pries den Akt, der „uns alle größer dastehen lässt“.

Fast vier Monate sind seit dem Mord an dem 16-jährigen Palästinenser Mohammed Abu Khdeir vergangen. Jerusalem kommt seither nicht zur Ruhe. Der Junge war Opfer radikaler ultraorthodoxer Juden. „Schleichende Intifada“ betitelte der israelische Channel 10 diese Woche einen Bericht über die Gewalt in der Stadt.

Fast jede Nacht kommt es zu Angriffen von Arabern auf Juden und von Juden auf Araber. Von einem „Leben wie im Wilden Westen“ spricht eine jüdische Anwohnerin in dem Bericht. Regelmäßig fliegen Steine und Molotowcocktails auf Autos der Siedler und auf die Straßenbahn, die vom Zentrum Westjerusalems durch das palästinensische Viertel Beit Hanina bis zur Siedlung Givat Seew fährt.

Die Polizei ist zusehends machtlos. Bürgermeister Nir Barkat fordert mehr Mittel für die Sicherheit. Man müsse Drohnen zur Überwachung einsetzen, um die Rädelsführer dingfest zu machen, fordert Barkat. „Ich erwarte, dass die Polizei mehr Möglichkeiten bekommt, damit sie den Krieg gewinnen kann.“

Hetzte gegen Araber

Die Gewalt geht jedoch von beiden Seiten aus. In einem Schreiben vom Montag an den Sicherheitsrat macht der palästinensische Botschafter in der UNO, Riyad Mansour, „extremistische terroristische Siedler“ für den Tod des fünfjährigen Mädchens Inas Chalil verantwortlich, das Anfang der Woche bei einem Autounfall mit Fahrerflucht starb.

Ein weiteres Mädchen befinde sich noch in kritischem Zustand. Mansour schreibt von einer „tödlichen Praxis jüdischer Siedler gegen palästinensische Zivilisten“. Seit Anfang August habe es vier solcher Unfälle gegeben. Auch Channel 10 berichtete über Angriffe auf Palästinenser. In einem Fall hätten „Hunderte“ Ultraorthodoxe zwei palästinensische Arbeiter gehetzt, während sie „Tod den Arabern“ riefen.

In dem „Krieg“, von dem Bürgermeister Barkat spricht, nehmen es die Siedler in Kauf, dass sie in ihrer neuen Umgebung nicht gefahrlos auf die Straße gehen können und die Fensterscheiben ihrer Autos kugelsicher sein sollten.

Hinter dem Kauf der Häuser in Silwan steht vermutlich eine der beiden radikalen nationalreligiösen Organisationen Ateret Cohanim und Elad. Beide treiben eine Judaisierung Ostjerusalems voran, indem sie über Strohleute palästinensische Grundstücke und Häuser kaufen. Wichtigster Geldgeber ist der US-amerikanische Geschäftsmann Irving Moskowitz.

Unbestätigten Berichten zufolge soll ein Palästinenser aus Ostjerusalem letztes Jahr mehrere Gebäude angekauft und vermutlich mit hohem Profit an das Komitee für die Erneuerung des jemenitischen Dorfes Schiloach weiterverkauft haben.

Der Mann sei bereits vom palästinensischen Sicherheitsdienst verhört worden, streitet vorläufig jedoch jede Beteiligung ab. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kündigte ein neues Gesetz an, das lebenslange Haftstrafen für den „Verrat“ am Volk vorsieht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • Liebe Kommune, die Kommentarfunktion für diesen Artikel wird jetzt geschlossen.

  • Ich finde es doch sehr seltsam, dass mein Kommentar von gestern, der unmittelbar nach dem Steve Kadishas von 21Uhr 42 abgegeben wurde, aus der Kommentarliste verschwunden ist. Er war nur kurze Zeit zu lesen und drückte meine Verwunderung darüber aus, dass Frau Knaul zwar von dem Mord an dem jungen Palästinenser, angeblich durch ultraorthodoxe Juden, berichtet, aber nicht von den Morden an den drei jungen Juden, angeblich durch islamische Fanatiker der Hamas, die diesem Mord voraus gingen.

    Frau Knaul scheint unter Objektivität einseitige Parteinahme für die Juden-, Homo- und Frauenfeinde aus den Reihen der Hamasbanditen und -mörder zu verstehen.

    Mit freundlichen Grüßen, Hartmut Wagner.

    • @hartmut wagner:

      wer kann eigentlich was für Ihre erinnerungslücken?

      frau Knaul sicher nicht.

       

      nachdem die zwei, wo's gewesen sein sollen, vorsorglich erschossen wurden statt vor gericht gestellt zu werden, gilt der fall der drei getöteten yeshive-bochers als abgeschlossen. da gibt's objektiv nichts mehr zu berichten, auch wenn manche ihn subjektiv immer noch gern als rechtfertigung für monstrositäten aller art heranziehen möchten.

       

      im verfahren um die tötung von Mohammed Abu Khdeir sind ein erwachsener siedler aus Adam und zwei jugendliche angeklagt. dass der erwachsene tallit+kippa trägt und sich für den meschiach hält, macht ihn nicht gleich zum ultra-orthodoxen. er dürfte eher dem national-religiösen lager zuzurechnen sein.

      und damit zu genau den leuten, die da jetzt unter sehr dubiosen umständen in der nachbarschaft der familie Abu Khdeir eingezogen und zu deren schutz israelische soldaten aufgezogen sind.

      so was nennt man ganz objektiv eine provokation. es sei denn, mann befindet sich grade in einer männlichkeits-krise und weiß nicht, wie mann mit opas monstrositäten zurechtkommen soll.

  • Hier findet ja eine seltsame Moderation statt.

    Ich bekam eben eine Mail:

     

    "bitte halten Sie sich etws zurück mit Ihrer Ausdrucksweise.

     

    wir haben Ihren Account auf "Moderation" gestellt, das heißt, Ihre Kommentare werden in Zukunft von uns vor Veröffentlichung kontrolliert.

     

    Wir finden es gut, wenn Sie leidenschaftlich debattieren, und möchten Ihnen Freiraum geben zu kommunizieren. Aber damit eine Debatte erhalten bleibt, braucht es einen angemessenen Umgangston, "

     

    wo, bitte, ist mein Umgangston unangemessen gewesen?

    • @Karl E1:

      Z.B. als Sie behauptet haben, nur "Gegenterror" würde gegen das "jüdische Siedlerpack" helfen.

    • @Karl E1:

      Ich sag's Ihnen: Ihre unverhohlene Parteinahme und deren Ausdrucksform ist inakzeptabel. Eine sachliche Diskussion ist mit Ihnen offenbar nicht möglich. Was berechtigt Sie, eine jüdische Mutter hier anzufurzen?

  • Sie beschweren sich, dass "Autos und Busse mit Steinhageln eingedeckt" werden?

     

    Das ist doch lächerlich gegen das, was den Palästinensern durchs israelische Militär angetan wird.

     

    Ich bedaure die fehlenden Mittel auf Seiten der Palästinenser. Sie zeigen ihren Widerstand gegen die Besatzung mit Steinen und seltsamen Raketen.

     

    Ich hoffe, dass sie Unterstützung bekommen, so wie die Israelis, die bis an die Zähne bewaffnet und damit in die Lage versetzt werden, sich das Land der Araber unter den Nagel zu reißen.

  • Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette.
    • @Karl E.:

      Darf man hier nichts gegen jüdische Siedler sagen?

       

      In der gedruckten taz war eine von denen abgebildet, mit höhnischem, triumphierendem Gesicht, wie sie einer Palästinenserin am Straßenrand das Victory-Zeichen zeigt. Ich habe bedauert, dass online ein anderes Foto gezeigt wird, auf dem nicht so deutlich zu erkennen ist, wes Geistes Kind diese jüdischen Siedler sind.

       

      Wer könnte ein Interesse daran haben, dass Kommentare gelöscht werden, sofern sie sich eindeutig auf Seiten der Palästinenser positionieren? Grübel, grübel...

  • Frau Rölke-Sommer ergeht sich also wieder einmal in Besatzungs-Lyrik. Nach ihrem Dafürhalten wäre dann auch ein Aufstand der Sorben in Brandenburg, der Dänen in Nordfriesland oder der Deutschen in Eupen-Malmedy gerechtfertigt und wünschenswert.

     

    Ich wage schon gar nicht mehr, nach Eupen über die belgische Grenze zu fahren, um mir dort ein Brot zu kaufen. Aufgebrachte Deutschnationale von der Belgian Liberation Organization (BLO) könnten mir die Windschutzscheibe einwerfen.

    • @Senckbley:

      Was denn - die Sorben werden mit Waffengewalt in Brandenburg in Schach gehalten? Wusste ich gar nicht.

    • @Senckbley:

      lieber nen bißchen völkerrecht in die debatte geworfen als national-religiös rumgesülzt.

      • @christine rölke-sommer:

        Wie jetzt? Der UN-Teilungsplan von 1947 wurde von den Arabern kategorisch abgelehnt. Alle Nachbarstaaten führten Krieg gegen Israel. Und Sie wollen uns was von Völkerrecht erzählen.

         

        Ach ja, und dann gab es da noch Last-exit-Arafat, Sie erinnern sich? 2000, Camp David. Hätte auf eine gütliche Einigung hinauslaufen können, aber der Herr mit dem Dingsbums auf dem Kopf verließ die Verhandlungen vorzeitig. Clinton zu Arafat: "You have been here fourteen days and said no to everything."

  • wie immer geht's durcheinander, beispielsweise in der behauptung "Die Gewalt geht jedoch von beiden Seiten aus".

    besatzung ist gewalt. da die palästinenserinnen sich nicht selbst besatz, geht die gewalt von israel aus. nicht von denen, die der besatzung widerstand entgegensetzen.

     

    dass man nicht durch besetzte gebiete tourit, um besatzte zu gucken als seien sie affen im zoo - ich dachte ja nicht, dass man das noch wem erklären müsse....

    und dass man in einem böswillig erworbenen haus nicht ruhig schlafen kann - das wundert nur solche, die der idee vom lebensraum anhängen....

    • @christine rölke-sommer:

      Die liegen nicht nur in ihren böswillig erworbenen Häusern und schlafen unruhig, sondern in sämtlichen besetzten, widerrechtlich erbeuteten Ländereien dürften sie jetzt zittern. Der IS ist schließlich nicht weit.

  • Dass arabische Heißsporne in Silwan mit Tötungvorsatz wahllos Autos und Busse (selbst solche mit Gästen/Touristen) mit Steinhageln eindecken, ist leider schon se Jahren Alltag - und keiner der arabischen Notablen erhebt darüber auch nur das Wort. Die schauen auch zu, wenn jüdischen Nachbarn in Silwan, die auch nur Zivilisten sind, nur wegen deren verquerer politischer Meinung Brandbomben in das Küchenfenster gefeuert werden. Es gibt aber keinen Anspruch auf ein ethnisch gesäubertes, "judenfreies" Silwan. Die Gewalt kann die israelische Polizei nicht stoppen, dass können nur die Chefs der Araberclans, so sie Vernunft zeigen.

    • @Steve Kadisha:

      Wenn man von der archäologischen Ausgrabungsstätte der Davidsstadt über das Kidronteil auf Silwan hinüberblickt, erkennt man auf einer dieser schrottigen Garagen im Talgrund ein fett hingeschmiertes Hakenkreuz. Kümmert sich von den Herrschaften dort auch kein Mensch um die Beseitigung.

      • @Senckbley:

        Haben Sie schonmal in den Gazastreifen hinübergeblickt? Da gibts noch ganz andere Schweinereien zu sehen.

  • Jährlich werden in Ostjerusalem 700 bis 800 Wohnungen illegal hochgezogen, also ohne Baugenehmigung - zusätzlich zu den 2.200 legalen arabischen Bauten, die vor kurzem für East Talpiyot genehmigt wurden. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Araber 1929 während ihrer Revolte Juden aus Teilen Jerusalems vertrieben haben (u.a. das im Artikel erwähnte jüdische jemenitische Dorf Schiloach nahe des Ölbergs) fragt man sich, wo die historische Gerechtigkeit bleibt. Mir erzähle bitte niemand mehr etwas von „illegalen Siedlungen“.

    • @Senckbley:

      Sie können uns vielleicht noch etwas zur Möglichkeit israelischer Araber erzählen, in Jerusalem eine Baugenehmigung zu bekommen. Bitte nicht aus der Horrorgeschichtenschatulle, sondern aus der Realität.

       

      Araber bauen in Jerusalem illegal oder garnicht, Juden bauen mit staatlicher Unterstützung, so sieht es aus.

      • @Max Mutzke:

        Klar bauen sie meistens illegal, 92% des Landes in Ostjerusalem ist nämlich gar nicht auf einen Eigentümer registriert. Wenn man ein Grundstück nicht besitzt, kann man es auch nicht bebauen. Es sei denn man versteht illegale Bautätigkeit als Teil des demographischen Kriegs gegen Juden. Beliebt ist auch die Bebauung des Landes ausgewanderter christlicher Palästinenser durch arabische Kriminelle.