Konflikt um Kiels OB Susanne Gaschke: Fall für den Generalbundesanwalt
Haben die Kieler Oberbürgermeisterin und ihr Mann versucht, politische Entscheidungen zu beeinflussen? In dem Streit ermittelt nun der Generalbundesanwalt.
SCHLESWIG dpa | Die Auseinandersetzung zwischen Kiels Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke sowie ihrem Ehemann mit Innenminister Andreas Breitner (alle SPD) ist ein Fall für den Generalbundesanwalt.
„Der Generalstaatsanwalt hat mit Schreiben vom heutigen Tage den Vorgang an den Generalbundesanwalt in Karlsruhe abgegeben“, teilte ein Sprecher am Freitag mit. Dieser könne das Verfahren jedoch an das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg übertragen, das laut Staatsvertrag auch für Schleswig-Holstein zuständig ist. In der seit Tagen schwelenden Affäre soll der Anfangsverdacht einer versuchten Nötigung geprüft werden.
Schleswig-Holsteins Innenminister Breitner wirft Gaschke und ihrem Ehemann, dem Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels, den Versuch politischer Einflussnahme vor. Laut Breitner forderte Bartels in einem Gespräch am 23. September im Innenministerium von ihm, dass Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sich im umstrittenen Steuer-Deal mit einem Kieler Augenarzt schützend vor Gaschke stellen soll. Bartels habe mit der Veröffentlichung einer Kurznachricht Albigs an Gaschke vom 17. September gedroht.
„Ich habe mich genötigt gefühlt“, hatte Breitner am Mittwoch im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags gesagt. Laut Breitner stellte Gaschke selbst am 27. September telefonisch ein einstündiges Ultimatum, die Zustellung des Zwischenergebnisses der Kommunalaufsicht zu ihrer Eilentscheidung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zurückzuhalten. Bartels wies die Darstellung zurück. Er und seine Frau gehen juristisch gegen die Äußerungen vor.
Albig wies Vorwurf der politischen Einflussnahme zurück
Nach Angaben des Sprechers des Generalstaatsanwalts in Schleswig-Holstein macht sich strafbar, „wer das Mitglied einer Landesregierung rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, seine Befugnisse nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben“. Die Tat wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar.
Am Mittwoch hatte Albig im Landtagsausschuss erneut Vorwürfe politischer Einflussnahme auf das Prüfverfahren der Kommunalaufsicht zurückgewiesen. „Die Kommunalaufsicht handelt unabhängig“, sagte er. Bei seiner SMS an Gaschke vom 17. September habe es sich um „einige kollegiale Hinweise für vernünftiges Krisenmanagement“ gehandelt. Sein freundschaftlich gemeinter Rat sei von Gaschke aber missverstanden worden. Wer behaupte oder öffentlich den Eindruck erwecke, dass Behörden nicht objektiv prüfen, der sei beweispflichtig.
Hintergrund ist der umstrittene Steuerdeal mit einem Kieler Augenarzt. Gaschke hatte ihm im Juni nach jahrelangem Streit per Eilentscheid und ohne Beteiligung der Ratsversammlung 3,7 Millionen Euro Zinsen und Säumniszuschläge erlassen. Im Gegenzug stottert der Mediziner Gewerbesteuern in Höhe von 4,1 Millionen Euro für Immobiliengeschäfte aus den 1990er Jahren ab. Mit dem Fall hatte auch Albig bereits in seiner Zeit als Oberbürgermeister zu tun.
SPD-Fraktion: „Unerträgliche Situation klären“
Bereits am Mittwoch stellte die FDP in der Kieler Ratsversammlung einen Antrag auf Einleitung eines Abwahlverfahrens für Gaschke. Für die Einleitung eines Abwahlverfahrens ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Stadtvertretung nötig – und damit auch die SPD.
Die Kieler SPD-Ratsfraktion erklärte, sie beteilige sich nicht an dem Versuch der FDP, „jetzt in dieser verfahrenen Situation ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen“. Allerdings forderte sie Gaschke auf, im parteiinternen Dauerstreit für eine Klärung der „unerträglich gewordenen Situation“ zu sorgen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator