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Konflikt in HamburgHochschule kuscht vor Salafisten

Die HAW verbietet eine Asta-Veranstaltung zur Lage in Kurdistan. Die Hochschule befürchtet Angriffe von Islamisten.

Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und mutmaßlichen Salafisten in Hamburg-St.Georg beobachtet die Polizei die Lage im Stadtteil. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Angst vor gewalttätigen Salafisten wirkt sich inzwischen auch auf Hochschulen aus. Wie der Asta der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) am Berliner Tor mitteilte, erlaubte der Hochschul-Kanzler eine für Ende des Monats geplante Reihe mit Reiseberichten aus selbstverwalteten kurdischen Gebieten in Nordsyrien nicht.

Unter dem Titel „Kurdistan – zwischen basisdemokratischer Selbstverwaltung und den Angriffen des Islamischen Staates“, war eine vierteilige Veranstaltungsreihe geplant, bei der der Soziologe Martin Dolzer und die Anwältin Britta Eder von ihrer Reise in die selbstverwaltete Region Rojava berichten sollten. „Wir wollen über die geopolitische Situation und unsere Erlebnisse sprechen“, erklärt Dolzer. Zudem wolle man im wissenschaftlichen Rahmen auch über die aufgebaute Selbstverwaltung und die „Angriffe durch IS-Truppen berichten“.

Es handele sich hier um gesellschaftlich relevante Themen, über die der Asta informieren dürfe, sagt Asta-Referent Christoffer Bethmann. Die studentische Vertretung müsse solche Veranstaltungen beim HAW-Raummanagement anmelden. Üblicherweise sei dies eher eine Formalie. Doch diesmal habe ihm der Kanzler gemailt, dass die Sache nicht stattfinden könne.

„Wir können den sicheren Rahmen einfach nicht gewährleisten“, sagt HAW-Sprecherin Katharina Jeorgakopulos. Der Veranstaltungsraum befinde sich nur wenige Meter von der Al-Nour-Moschee entfernt, wo es vor einer Woche eine Straßenschlacht zwischen Salafisten und Kurden mit 14 teilweise schwer Verletzten gab. Auch habe eine Putzfrau erst vor zwei Tagen ein Waffenarsenal mit Macheten, Stangen und Messern in der Nähe entdeckt. „Wir können hier nicht so eine Veranstaltung durchführen. Dann kann es Tote geben.“ Man trage Verantwortung für mehrere tausend Studierende. „Es ist der falsche Zeitpunkt und der falsche Ort.“

Der Konflikt in St. Georg

Am 5. Oktober war es erstmals zu größeren Auseinandersetzungen gekommen. 50 Kurden waren nach einer Demonstration gegen den Islamischen Staat vom Rathausplatz nach St. Georg gezogen, wo sie mit einer Gruppe Salafisten zusammenstießen.

Am 6. Oktober besetzten kurdische Aktivisten nach einer Demonstration Gleise am Hauptbahnhof.

In der Nacht zum 8. Oktober griffen Salafisten einen kurdischen Kulturverein am Steindamm an. Etwa 400 Kurden und 400 Salafisten lieferten sich danach eine Straßenschlacht, bei der auch Waffen zum Einsatz kamen. Es gab 14 teils schwer Verletzte.

Am 10. Oktober verhinderte die Polizei mit einem Großaufgebot und massiven Kontrollen eine befürchtete Eskalation nach dem muslimischen Freitagsgebet.

Wenn, dann könnte die Veranstaltung zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden und müsste einen „neutraleren Titel finden“. In den technischen Studiengängen gebe es viele muslimische Studierende. Man müsse die Ebene des akademischen Diskurses wählen, nicht die des Konflikts.

Mit den Sicherheitsbehörden habe das HAW-Präsidium nicht über die Veranstaltung gesprochen. „Das ist nicht nötig. Wir kennen die Meinung der Polizei.“

Doch die hält sich zurück. „Wenn der Hausherr dies nicht möchte, ist es keine Sache der Polizei“, sagt Sprecher Andreas Schöpflin. „Nichtsdestotrotz hätte die HAW bei uns anfragen können, damit wir beratend tätig sind. Aber das hat sie nicht getan.“

Christoffer Bethmann dagegen kritisiert, dass das HAW-Präsidium keinen Dialog mit dem Asta geführt habe. „Wir wären bereit gewesen, den Termin zu verschieben oder in Dialog mit den Sicherheitsbehörden zu treten.“ Man versuche nun, die Sache an einen anderen Ort zu verlegen.

Soziologe Dolzer findet die Entwicklung bedenklich. „In St. Georg haben Anhänger des islamischen Staates einen kurdischen Verein angegriffen“, sagt er. Führe das nun dazu, dass man sich an einer Hochschule nicht mehr mit den Aktivitäten des IS auseinandersetzt, „hat die Einschüchterung gewirkt“.

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17 Kommentare

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  • ichsachnur: Idomeneo und der hochschul-kanzler gibt den opern-cheffe.

  • Ich habe Verständnis für diese Massnahme. Alle, die sich hier aufregen, möchte ich an die Übergriffe der Salafisten gegen die Polizei in Bonn anlässlich der Pro NRW Demo erinnern: 3 verletzte Polizisten durch Messerstiche, 2 davon schwer.

    Wollt ihr erstochene Studenten oder Polizisten riskieren?

    • @Tupaq:

      Wahrscheinlich muss man die Hochschule jetzt ganz dicht machen, weil jeden Moment wildgewordene Salafisten dort auftauchen könnten, gegen die man natürlich völlig wehrlos ist.

      Die 10 Millionen Euro Nachschlag, die die Hamburger Polizei trotz leerer Kassen in diesem Jahr aus einem Sonderetat bekommen hat, sind wohl entweder schon verfrühstückt worden, oder werden dringend später noch zur Verhinderung von Demonstrationen gebraucht.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Die Polizei ist ja auch viel eher bei Fußballveranstaltungen gebraucht, also bei privaten Veranstaltungen die der Gewinnerzielung dienen. Da ist --ganz klar-- keine Zeit, demokratische Rechte zu schützen. Oder sie wird gegen unbewaffnete Demonstranten eingesetzt, das ist auch nicht gefährlich - für die Staatsmacht.

  • D
    D.J.

    Und wir wundern uns, warum 1933 passieren konnte? Obwohl die Demokraten damals eher weniger feige waren als heute?

  • Faschismus:Aufklärung 1:0

  • Soviel zum Thema "Freiheit von Wissenschaft und Lehre" in "der besten aller Welten".

  • Es gibt also keine Rechtssicherheit?

    Kein Hausrecht?

    Die Polizei kommt doch auch inzwischen bei jeder Kleinigkeit auf den Campus.

    Man muss also nur mit genug Waffen und Tobsucht aufkreuzen und schon ziehen sich alle Wasserwerfer ängstlich zurück?

    • @nzuli sana:

      Wenn die Polizei bei evtl. Veranstaltungen ganz bestimmt zugegen sein soll, ist es ratsam, Letztere von einer von einer voll aufgedrehten Beschallungsanlage begleiten zu lassen - Einsätze wegen Lärmbelästigung lässt sich kein Gesetzeshüter entgehen...!

    • @nzuli sana:

      Richtig erkannt. Leider gibt es vor lauter Verblendung und Vernebelung unterschiedlichster Couleur (was sich bei vielen anderen Kommentatoren bei der taz auch feststellen lässt) nicht mehr so viele mit Durchblick. Gute Fragen, auch von D.J. weiter oben.

  • @Elena Hein:

    das kann und darf nicht der Weg sein in einem Land mit Meinungs und Redefreiheit, dass eben diese in der Art und Weise beschnitten wird- ich finde es erschreckend und gefährlich.. im Übrigen bin ich auch Studentin an der HAW und kann deine Meinung zum Asta nicht unterschreiben-auch nicht, dass der Großteil der Studierenden nicht hinter den "Vorgehensweisen" des Asta steht- wie kommst du darauf?? ich sehe übrigens an dem Vorhaben des Astas so etwas zu veranstalten null Provokatives...

  • "Wenn, dann könnte die Veranstaltung zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden und müsste einen „neutraleren Titel finden“. In den technischen Studiengängen gebe es viele muslimische Studierende. Man müsse die Ebene des akademischen Diskurses wählen, nicht die des Konflikts. "

     

    Ich kann mir kein Konfliktpotential vorstellen, da der IS nun keinesfalls (so die offizielle Lehrmeinung) von einer nennenswerten Anzahl von in Deutschland lebenden Moslems unterstützt, gebilligt oder toleriert wird.

  • Besser Gewalttäter bestrafe und wenn möglich ausweisen, statt die Freiheiten der Bürger zu beschneiden.

  • Ich als Studierende der HAW bin sehr froh, dass das Präsidium an die Sicherheit der Studentenschaft denkt! Leider ist der aktuelle Asta in der Tat extrem konfliktbereit und provokativ, sodass Ausschreitungen zu erwarten gewesen wären. Der Großteil der Studierenden an der HAW steht nicht hinter den Vorgehensweisen des Astas. Unabhängig davon sind die Machenschaften der Anhänger des IS selbstverständlich furchtbar und inakzeptabel!

    • @Elena Hein:

      Ich dachte immer, dass die Asra demokratisch gewählt werden.

       

      Wieso ist dann eine Differenz zwischen Studierenden und Asta?

    • @Elena Hein:

      das kann und darf nicht der Weg sein in einem Land mit Meinungs und Redefreiheit, dass eben diese in der Art und Weise beschnitten wird- ich finde es erschreckend und gefährlich.. im Übrigen bin ich auch Studentin an der HAW und kann deine Meinung zum Asta nicht unterschreiben-auch nicht, dass der Großteil der Studierenden nicht hinter den "Vorgehensweisen" des Asta steht- wie kommst du darauf?? ich sehe übrigens an dem Vorhaben des Astas so etwas zu veranstalten null Provokatives...

  • Warum sollte eine solche Veranstaltung, ggfs. unter Polizeischutz, nicht möglich sein? Sie ausfallen zu lassen erscheint mir in diesem Fall als eine unzulässige Einschränkung der Redefreiheit. Denn es geht bei der Veranstaltung ja, wie es scheint, nicht darum, andere Gruppen zu verunglimpfen, sondern um einen möglichst objektiven Erfahrungsbericht. Das muss in jedem Fall möglich bleiben.