Konflikt im Hambacher Forst: Polizei beseitigt Blockaden
Die Räumung der Baumhäuser ist ausgesetzt. Am Freitag machte sich die Polizei daran, Wege freizuräumen. Sie stieß auf Widerstand.
Denn die Polizei ging zwar nicht mehr direkt gegen Baumhäuser vor, versuchte aber, Wegblockaden zu beseitigen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit Aktivist*innen. Man werde „Personen von Tri- und Monopods holen müssen“, meldete die Polizei Aachen auf Twitter. Die juristische Begründung lautete „Sicherheitsvorkehrungen“.
Laut Polizei müssen die Wege freigemacht werden, um Rettungs- und Fluchtwege offen zu halten. Schließlich habe sich gezeigt, wie notwendig ein schneller Zugang im Notfall sei. Der Energiekonzern RWE sei rechtlich dazu verpflichtet, ihn zu gewährleisten. Bereits am Donnerstag habe man dazu aufgerufen, die Barrikaden zu entfernen – vergeblich. „Deshalb muss RWE heute tätig werden und die #Polizei #Aachen wird die Arbeiter schützen“, twitterte die Polizei und betonte: „Es handelt sich NICHT um eine Baumhausräumung“.
Versuch der Räumungsfortsetzung kritisiert
Aktivist*innen kritisierten dennoch, die Einsatzkräfte verstießen mit ihrem Vorgehen gegen den vereinbarten Räumungsstopp. Eine fortgesetzte Räumung der Baumhäuser würde genauso beginnen wie die aktuellen Arbeiten. Daher sei das Vorgehen eine Provokation und komme einer verdeckten Fortführung der Räumung gleich. Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin der Polizei Aachen: „Baumhäuser werden nicht geräumt, zumindest nicht nach meinem Kenntnisstand“. „Wahrscheinlich waren diese barrikadenartigen Strukturen vorher noch nicht da“, sagte sie. „Das muss weg.“
Per Live-Streams von Aktivist*innen und teilweise über Twitter konnte man verfolgen, was im Wald vor sich geht. Nach mehreren Appellen entfernte die Polizei zunächst erste kleinere Barrikaden auf den Wegen, wobei es zu Rangeleien mit etwa 30 Menschen kam, die immer wieder Sitzblockaden errichteten.
Bei einem durch Seile mit einem Tripod verbundenen Monopod kamen die Arbeiten zunächst zum Erliegen. In den teilweise bedrohlich schwankenden Seilen zwischen den Barrikaden hingen Aktivist*innen in mehreren Metern Höhe. Beamt*innen wurden mit Kot beworfen. Sie zogen Harvester und andere Räumgeräte schließlich wieder ab. Die Presse war vor Ort und zwei parlamentarische Beobachter ebenfalls.
RWE hält an Waldrodung fest, Aktionsbündnis empört
Der Essener Energiekonzern RWE hält trotz des tragischen Todesfalls daran fest, den Hambacher Wald roden zu wollen. Selbst ein kurzfristiger Verzicht darauf würde das Unternehmen vier bis fünf Milliarden Euro kosten, sagte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Die Annahme, dass der Forst gerettet werden kann, das ist Illusion. Und ich bin tief betroffen, dass für eine solche Illusion, für ein solches Symbol gestern ein Mensch gestorben ist“, sagte Schmitz. Umweltaktivistin Antje Grothus, ebenfalls Gast der Sendung, entgegnete: „RWE hat jedes Jahr gesagt ‚Wir können die Rodung nicht aussetzen, dann steht der Tagebau still‘. Das stimmt auch in diesem Jahr nicht.“
Sprecher*innen der Aktivist*innen im Wald erklärten in einer Pressemitteilung des Aktionsbündnisses Ende Gelände indes, die Forderung von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), die Besetzung abzubrechen, sei „zynisch und geschmacklos“. Laut Aussagen von Freunden des Verunglückten wäre es auch nicht in dessen Sinne. „Die aktuelle Räumung findet statt, ohne dass den Menschen auch nur eine Nacht ruhiger Schlaf ohne massiver Polizeipräsenz, Flutlichter und Generatorenlärm zugestanden wurde“, heißt es weiter. „Wir fordern, dass Polizeipräsident Weinspach und Innenminister Reul alle laufenden Maßnahmen abbrechen und sämtliche Kräfte aus dem Wald abziehen.“
Karolina Drzewo, Sprecherin von Ende Gelände, sagte: „Die Landesregierung zeigt mit der aktuellen Räumung, dass sie die Interessen von RWE ohne einen letzten Funken Anstand durchsetzt. Herr Reul missachtet hier nicht nur die Klimakrise sondern auch den Respekt für Trauer.“
„Gegen den erklärten Willen der Mehrheit“
Auch die Aktion Unterholz und die Initiative Buirer für Buir reihten sich in die Kritik ein. „Zu diesem Zeitpunkt den Einsatz gegen den erklärten Willen der Mehrheit der Bevölkerung durchzudrücken ist nicht nur unerträglich für Angehörige, Freund*innen und Betroffene, sondern angesichts des politischen Willens auch undemokratisch“, sagte Hubert Perschke von Buirer für Buir.
Online-Umfragen von Emnid und YouGov, beide vor dem Todesfall durchgeführt, hatten in den letzten Tagen ergeben, dass die Mehrheit der Deutschen die Waldbesetzung unterstützt und einen Kohleausstieg bis 2030 fordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands