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Konflikt Thailand-KambodschaGegenseitiger Beschuss samt gegenseitiger Vorwürfe

Der Grenzkonflikt zwischen den südostasiatischen Nachbarn eskaliert wieder. Militärs bringen sich in Stellung, Zivilisten fliehen aus Grenzgebiet.

Aus dem Grenzgebiet sind diese kambodschanischen Familien weiter ins Landesinnere der Provinz Banteay Meanchey evakuiert worden Foto: Thomas Suen/reuters

Im umstrittenen Grenzgebiet zwischen Thailand und Kambodscha wiederholt sich seit Sonntagabend eine militärische Eskalation. Zuletzt hatte es hier im Juli fünf Tage lang Scharmützel mit mindestens 40 Toten und 270.000 Evakuierten gegeben. Jetzt sind wieder Zehntausende auf der Flucht, während sich die Militärs beider Seiten in Stellung bringen. Der gegenseitige Beschuss nimmt zu, begleitet von Vorwürfen, die jeweils andere Seite habe zuerst geschossen.

Am Montag und Dienstag griffen thailändische Kampfjets sogar Stellungen in Kambodscha an, wie Bangkok selbst bestätigte. Laut Kambodschas Ex-Ministerpräsident Hun Sen, der seit Abgabe des Postens an seinen Sohn 2023 aber die starke Macht im Lande blieb, hätte sich das kambodschanische Militär bis Montag zurückgehalten. Erst am Dienstag habe man sich aktiv verteidigt. Da schlugen in Thailand Artilleriegeschosse und Mörsergranaten ein.

Bis Dienstagabend gab es insgesamt elf Tote. Ein Ende der Eskalation war nicht in Sicht. Aufrufe zur Mäßigung durch Malaysias Premier Anwar Ibrahim, derzeit Vorsitzender des südostasiatischen Asean-Staatenbundes, blieben wirkungslos.

Jüngster Auslöser der Scharmützel waren am Sonntag laut Thailand Schüsse im umstrittenen Grenzgebiet, die einen thailändischen Soldat töteten und vier verletzten. Laut Kambodscha hätten dagegen Thai-Soldaten das Feuer eröffnet.

Tödliche Schüsse und Minen

Mitte November hatte die Explosion einer Landmine, die thailändische Soldaten tötete, zur Aussetzung des Friedensabkommen vom 26. Oktober durch Bangkok geführt. Thailand wirft Kambodscha vor, Minen neu zu verlegen und damit gegen Auflagen zu verstoßen.

Die Regierung in Phnom Penh sagt, die Minen stammten vom früheren Konflikt mit den Roten Khmer. Diese maoistische Guerillatruppe hatte 1975 in Kambodscha die Macht erobert, sie nach ihrer Schreckensherrschaft 1979 verloren und dann noch jahrelang gegen die Regierung gekämpft.

Der Grenzkonflikt ist viel älter. 1907 hatte Frankreich als Kolonialmacht in Indochina, zu dem Kambodscha gehörte, die Grenze zum Königreich Thailand kartiert, womit Thailand Probleme hatte. Seitdem sind Teile der mehr als 800 Kilometer langen Grenze umstritten. Weil es aber jetzt auch Schüsse an der südlichen Seegrenze im Golf von Siam gab, mobilisierte Thailand auch dort seine Marine.

Von den Waffen und der Zahl der Streitkräfte her ist Thailand weit überlegen. Da sein putschfreudiges Militär immer wieder in die Politik eingreift und sich großzügig Mittel spendiert, hat es ein Interesse, sich als Garant der Souveränität des Landes zu inszenieren. Thailand hat sogar einen Flugzeugträger, der meist nur für repräsentative Zwecke benutzt wurde.

Kambodschas Militär ist wegen des jahrzehntelangen Bürgerkriegs kampferfahrener, hat aber kaum moderne Waffen und so gut wie keine Luftwaffe. Der Nationalismus auf beiden Seiten erschwert Kompromisse.

Innenpolitische Interessen

Der Konflikt wird auch innenpolitisch instrumentalisiert. Hun Sen wurde schon im Sommer vorgeworfen, mit dem Konflikt von den eigenen autokratischen Tendenzen ablenken zu wollen.

In Thailand stürzte die damalige Premierministerin sogar über ein Telefonat mit Hun Sen. Der neue Ministerpräsident Anutin Charnvirakul muss bald Neuwahlen ausrufen und könnte sich dabei von Härte gegenüber Kambodscha bessere Chancen versprechen.

Im Juli hatten Malaysias Anwar Ibrahim und US-Präsident Donald Trump beide Seiten zu einem Waffenstillstand gedrängt und sie später ein Abkommen unterzeichnen lassen. Trump hatte den Konfliktparteien andernfalls mit hohen Zöllen gedroht. Das Abkommen ging aber die Konfliktursachen nicht an.

Bereits im November verweigerte Thailand Folgetreffen. Danach befragt, sagte Premier Anutin jetzt, es sei zu spät: „Ich erinnere mich schon nicht mehr daran.“

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