Konferenz zur Zukunft Europas: Öde Zukunft
Größere Bürgernähe stand auf der Agenda beim Start der Konferenz zur Zukunft Europas. Die Bedingungen, die Strukturen zu verändern, sind ungünstig.
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E s war ein Wahlversprechen von Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen. „Neuen Schwung für die Demokratie“ sollte die Konferenz zur Zukunft Europas bringen, gelobten Frankreichs Staatschef und die EU-Kommissionspräsidentin nach der Europawahl 2019. Das war auch dringend nötig – denn bei der Nominierung von der Leyens waren demokratische Prinzipien mit Füßen getreten worden.
Die Spitzenkandidaten hatten keine Chance, das Europaparlament wurde schlicht übergangen, Macron übernahm die Regie. Nun soll es endlich losgehen. Mit knapp einem Jahr Verspätung geben die EU-Chefs den Startschuss für die Zukunftskonferenz. Und schon droht ein Fehlstart. Die Konferenz leidet unter einem Geburtsfehler: dem Proporzdenken. Statt wie geplant den belgischen Föderalisten Guy Verhofstadt mit der Leitung zu betrauen, wurden gleich drei Präsidenten eingesetzt: für Rat, Kommission und Parlament.
Die Bürger sollen erst nach der Eröffnung am 9. Mai hinzugezogen werden. In Diskussionsforen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene sollen sie dann mitreden. „Wir wollen hören, wovon die Bürger träumen“, so von der Leyen. Doch eine echte Chance zur Umsetzung dieser Träume gibt es nicht. Wer sich eine europäische Republik wünscht, dürfte enttäuscht werden. Denn dafür müssten die EU-Verträge einstimmig geändert werden, und daran glaubt in Brüssel keiner.
Selbst bescheidenere Wünsche werden kaum erfüllt werden. Wer hofft, seinen Frust über das Impfdebakel und die Lockdowns loszuwerden, wird schnell an die EU-Pläne für eine „Gesundheitsunion“ stoßen. Dieser Teil der Zukunft ist schon verplant. Trotzdem ist die Konferenz sinnvoll. Sie zwingt die EU-Führung, dem Volk aufs Maul zu schauen. Und sie bringt das heiße Eisen EU-Reform zurück auf die Agenda.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die EU nicht länger so weitermachen kann wie bisher. Nun besteht immerhin die Chance, dass die Bürger die Reformagenda vorgeben – und nicht Macron und von der Leyen.
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