Konferenz über nukleare Sicherheit: Sorgenkind Pakistan
In Washington findet ab Montag eine Konferenz über nukleare Sicherheit statt. Themen sind Bedrohungen wie etwa "schmutzige Bomben".
Das Treffen zur "nuklearen Sicherheit", das am Montag in Washington beginnt, ist nach Einschätzung der Gastgeber die größte Zusammenkunft von Staats- und RegierungschefInnen seit der Gründung der Vereinten Nationen. US-Präsident Barack Obama hat 46 Länder sowie mehrere internationale Organisationen eingeladen. Sie werden Gefahren wie "nuklearen Terrorismus", "schmutzige Bomben" und andere Bedrohungsszenarios erörtern, bei denen sich spaltbares Material in den "falschen" Händen befindet. Am Ende sollen ein gemeinsames Kommuniqué sowie ein Arbeitsplan herauskommen.
Die Teilnehmerliste des Großereignisses blieb bis wenige Stunden vor seiner Eröffnung in Bewegung. So gab der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu den USA im letzten Moment einen Korb. Netanjahu hat die Sorge, dass sein Land in Washington ins Visier von Nachbarn wie Ägypten oder Türkei geraten könnte. Israel besitzt Atombomben, ohne den Nichtverbreitungsvertrag unterschrieben zu haben. Andere Länder drängelten, um in Washington teilnehmen zu dürfen. Mehrere Staaten, mit deren Atomprogrammen sich die internationale Gemeinschaft befasst, sind gar nicht erst von den USA eingeladen worden. Darunter der Iran, Nordkorea und Weißrussland.
Wohin die Richtung in Washington gehen soll, zeigen die bilateralen Treffen, die Gastgeber Obama schon am Vortag des Nukleargipfels abhielt. Am Sonntag lud er die Regierungs- und Staatschefs der beiden aufsteigenden Atombombenstaaten Indien und Pakistan zu sich. Die Nachbarländer verfügen über je mehr als 60 atomare Sprengköpfe. Ihre Beziehungen sind angespannt. Mit Indien hat Obamas Amtsvorgänger die Zusammenarbeit in der zivilen Nutzung der Atomenergie intensiviert. Pakistan erwartet eine ähnliche Kooperation von den USA. Doch zugleich ist Pakistans großes Nuklearprogramm und seine komplizierte Gemengelage mit bewaffneten islamistischen Organisationen das "Sorgenkind" der internationalen Gemeinschaft. - Für US-Präsident Obama ist der Gipfel ein symbolträchtiges Ereignis. Er hat vor einem Jahr in Prag von einer nuklearwaffenfreien Welt gesprochen. Seither hat er die Nukleardoktrin seines Landes abgeändert. Danach behalten die USA sich zwar die Erstschlagoption vor, doch haben sie die Liste jener Länder, die sie potenziell atomar angreifen würden, stark eingeschränkt. Auf die Entwicklung neuer Atombomben haben die USA ganz verzichtet. Zusammen mit Russland hat Obama einen neuen Start-Vertrag ausgehandelt, der die Zahl der atomaren Sprengsköpfe reduziert. Die USA und Russland verfügen über 95 Prozent aller Atombomben weltweit. Wenn die Sicherheitskonferenz von Washington gelingt, wird Obama gestärkt in die nächste internationale Konferenz über das Thema gehen: die Verhandlungen über den Nichtverbreitungsvertrag, die im Mai bei der UNO in New York geplant sind.
Die nuklearen Gefahren, um die sich die Gespräche in Washington drehen werden, gehen nicht nur von militärischen Einrichtungen aus. Die Experten betrachten auch Atomkraftwerke und vor allem universitäre Forschungseinrichtungen, die in aller Regel weniger streng bewacht sind, als gefährliche Orte. Terroristische Gruppen, so die Annahme der US-Administration, könnten sich bei Überfällen auf solche Einrichtungen, die jeweils einiges spaltbares Material auf Lager haben, die nötigen Stoffe für "dirty bombs" verschaffen. In Südafrika und in Pakistan haben bereits Überfälle von bewaffneten Gruppen auf Nukleareinrichtungen stattgefunden.
Die von Obama betriebene tendenzielle nukleare Abrüstung bedeutet keinen grundsätzlichen Verzicht der USA auf die militärische Vormachtrolle. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Umrüstung und Modernisierung der US-amerikanischen Militärstrategie. Das neue Stichwort lautet global strike oder global reach. Gemeint ist die Fähigkeit, binnen weniger Minuten an jedem beliebigen Ort des Planten zuschlagen zu können: mit konventionellen statt nuklearen Waffen. Pentagon und Rüstungsindustrie arbeiten daran.
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