Konferenz der "Klimarealisten": Klimaskeptiker unter sich
Menschengemachte Erderwärmung? Quatsch! Die größte Gefahr sei die Deindustrialisierung Deutschlands, heißt es auf einer Klimakonferenz in Berlin.
BERLIN taz | "Ich bin fassungslos und entsetzt über die Feigheit der deutschen Industrie! Warum lässt sie sich das seit Jahren gefallen?" Der ältere Herr aus der letzten Reihe erntet für seinen Kommentar viel Zustimmung.
Vorne im Saal steht Dieter Ameling, ehemaliger Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Er hat soeben seinen Vortrag zur deutschen Energie- und Klimapolitik beendet - und kein gutes Haar an der Regierung gelassen. Seine provokante These: "Ihr Energiekonzept führt zur Deindustrialisierung Deutschlands."
Heute kann sich Ameling der Zustimmung sicher sein, denn Klimaschutz hält auf dieser Konferenz niemand für wichtig. Während im mexikanischen Cancún Klimapolitiker aus aller Welt verhandeln, traf sich in Berlin die Szene der sogenannten Klimaskeptiker. Für sie ist keineswegs nachgewiesen, worüber in der internationalen Klimawissenschaft seit Jahren Einigkeit besteht: dass der Ausstoß von Treibhausgasen zur Erderwärmung führt.
Sie selbst bezeichnen sich als Klimarealisten. Auf der Konferenz im Nobelhotel Maritim ist man redlich bemüht, einen seriösen Eindruck zu vermitteln. Im Programmheft findet sich kaum ein Referent ohne Professoren- oder zumindest Doktortitel. Übrigens keine einzige Referentin.
Ameling ist als ehemaliger Stahlpräsident prominentester Redner auf der Konferenz. Politiker mit ähnlichen Ansichten lassen sich nicht blicken. Und renommierte Klimaforscher haben längst aufgegeben, die eingeschworenen Skeptiker zu überzeugen. Immerhin hält sich Ameling bedeckt mit Aussagen zu den Ursachen der Erderwärmung. Er jammert vielmehr über die Klimapolitik: "Sie mindert unseren Wohlstand und schwächt das soziale Netz." Die europäischen Klimaschutzziele hält er für unrealistisch. Aber Zweifel an den Erkenntnissen zum globalen Temperaturanstieg äußert er nicht ausdrücklich.
Andere Redner hingegen haben weniger Hemmungen, den von Menschen verursachten Klimawandel zu leugnen. "Der Meeresspiegel wird in den nächsten hundert Jahren steigen", sagt etwa Lutz Peters, ehemaliger Vorstandschef des Schweizer Nahrungsmittelherstellers Hero und Buchautor. "Das hat aber mit CO2 und Temperaturanstieg überhaupt nichts zu tun."
Schuld seien "tektonische Verschiebungen". Ohnehin würde die Temperatur gerade mal um ein Grad Celsius steigen, selbst wenn sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre verdoppelt, ist sich Peters sicher. Und wenn der Weltklimarat IPCC etwas anderes behaupte, dann nur, "weil er ja ein Forum braucht" und ohne Katastrophenwarnungen nicht genug Aufmerksamkeit erhalte. Die IPCC-Modelle seien "ohne Beweise, ohne Belege".
Danach malt Michael Limburg ein Horrorszenario des Klimaschutzes aus. Der Beamer wirft vier durchgestrichene Bilder an die Wand, und Limburg erklärt dazu: "Keine Heizung mehr, keine fossil betriebenen Kraftwerke, kein Verkehr und keine Produktion." Diese Angst treibt ihn.
Als Vizepräsident der Klimaskeptikerorganisation Europäisches Institut für Klima und Energie in Jena hat er die Konferenz organisiert und ist zufrieden: 140 Teilnehmer, das seien mehr als im letzten Jahr. Damals demonstrierten Umweltschützer gegen die Tagung, diesmal ist es ruhig. Nächstes Jahr wollen sich die Klimaskeptiker in München treffen.
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