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Komponistin Guðnadóttir bei BerlinaleDoppelte Gewinnerin

Cellistin Hildur Guðnadóttir wurde als erste Frau für ihre Filmmusik mit einem Oscar und mit einem Grammy ausgezeichnet. Darüber sprach sie in Berlin.

Hildur Guðnadóttir im Rahmen des Berlinale Talents Foto: Imago

Sie musste den überwältigenden Erfolg erst einmal einordnen, schickt die isländische Komponistin und Cellistin Hildur Guðnadóttir voraus. Die Oscar-Gewinnerin stellt sich am Sonntagnachmittag im ausverkauften Hebbel-Theater den Fragen des britischen Literaturwissenschaftlers Anas Sareen in der Talk-Reihe „Play it by Ear“ im Rahmen von Berlinale Talents. Ihre sympathische Art hebt sofort die Laune.

Als überhaupt vierte Frau gewann die 37-Jährige im Januar einen Oscar für ihren Soundtrack zum Spielfilm „Joker“, zudem wurde sie auch mit einem Golden Globe und dem britischen Filmpreis Bafta ausgezeichnet. Preisgekrönt ist auch ihre Musik für die HBO-Serie „Tschernobyl“, dafür gab es ebenfalls einen Grammy.

Es sei leider immer noch nicht selbstverständlich, dass Frauen Soundtracks komponieren, erzählt die Isländerin. Aber ihr Erfolg sei auch ein Zeichen für mehr Diversity. Man müsse sich immer wieder die „dämliche Statistik“ vor Augen führen, um sofort zu erkennen, wie wenige Komponistinnen Filmmusik kreieren. Persönlich habe sich durch die Auszeichnungen ihre künstlerische Freiheit vergrößert. Sie habe bewiesen, dass sich andere auf ihre Arbeit verlassen können, das erfülle sie mit Stolz.

Guðnadóttirs Musik für „Joker“ wirkt an keiner Stelle dramatisierend, ihre Melodien entfalten sich langsam. Einzelne Töne bleiben lange stehen, wie ins Wasser geworfene Kieselsteine, die auf der Oberfläche tänzeln, bevor sie in den Fluten versinken. Ihr Aufwachsen in Island mache sich in ihrer Musik bemerkbar, die Weite der Landschaft, die wenigen Einwohner:Innen, aber genauso fließe auch ihr Alltag in Berlin ein, wo sie mit ihrem Partner und einem Kind lebt.

Wie Kieselsteine

In Berlin genießt sie es, unsichtbar zu sein, das sei besonders wichtig für sie als eine, die an der Seite von neun Geschwistern aufgewachsen ist. Prägend sei vor allem ihre Großmutter gewesen, eine überzeugte Kommunistin und Biologin, erste Professorin Islands. Von der hat sie ihr Faible für Kriminalromane geerbt. Musikmachen sei auch ein bisschen, wie ein Verbrechen aufzuklären, schildert Guðnadóttir.

Zur Recherche für „Tschernobyl“ ist die Isländerin nach Litauen gereist, wo sie in einem Atomkraftwerk Field Recordings aufgenommen hat. Das führte zu „Deep Listening“: Da sich Radioaktivität nicht in Klang auflösen lasse, habe sie das Kraftwerk als Musikinstrument begriffen und den Hall seiner Räume en détail nachgehört.

Guðnadóttir, die unter anderem mit der isländischen Band Múm Alben veröffentlichte, charakterisiert Musikmachen als „kommunalen Akt“. Es sei damals in Island mehr darum gegangen, miteinander Zeit zu verbringen, die Ergebnisse beim Spielen waren zunächst zweitrangig. Dieses antikonkurrenzgetriebene Musizieren habe sie nachhaltig geprägt und daran orientiert sie sich auch heute in Berlin, wo sie sich ein Aufnahmestudio mit neun anderen KünstlerInnen teilt.

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