Komponist Hans Werner Henze ist tot: Tod eines Jahrhundertkomponisten
Henze, einer der meistgespielten zeitgenössischen Komponisten, ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Er galt als als einer der „vielseitigsten und wirkungsvollsten Komponisten unserer Zeit“.
BERLIN dapd/dpa | Hans Werner Henze, einer der meistgespielten zeitgenössischen Komponisten, ist tot. Er sei am Samstag in Dresden im Alter von 86 Jahren gestorben, teilte der Mainzer Musikverlag Schott Music mit. Die Akademie der Künste würdigte den in Gütersloh geborenen Henze als Jahrhundertkomponisten. Mit der Deutschen Oper Berlin verband Hans Werner Henze (1926-2012) viele Jahre eine enge Zusammenarbeit, die mehrere Uraufführungen und Deutsche Erstaufführungen zur Folge hatte. Darauf verweist mit nicht geringem Stolz das lange Zeit von Götz Friedrich geführte Opernhaus in seinem Jubiläumsband zum 100-jährigen Bestehen in diesem Jahr.
Als die Deutsche Oper Berlin in der ersten Nachkriegszeit noch Städtische Oper hieß und noch ohne Neubau war, hatte 1956 in West-Berlin Henzes Oper „König Hirsch“ mit skandalösen Begleiterscheinungen Premiere. Es war Henzes "überraschende Hinwendung zur Oper und sein Abschied von der „Avantgarde“, heißt es im Jubiläumsband der Oper. „Doch die Verantwortlichen, darunter der Dirigent Hermann Scherchen, haben nicht den Mut, das Werk in voller Länge zu spielen und kürzen es um mehr als ein Drittel.“
25 Minuten Applaus
Das Publikum applaudierte 25 Minuten und die meisten Kritiken waren positiv. Doch habe es während der Premiere auch lautstarke Störungen von Gegnern zeitgenössischer Musik gegeben, die unter anderem riefen: „Wir wollen Lohengrin!“ Die Premiere sei als einer der großen Skandale in die Theatergeschichte eingegangen. Nach verschiedenen Umarbeitungen wurde „König Hirsch“ in der Originalfassung erst 1985 in Stuttgart ein Erfolg. Der renommierte Berliner Musikkritiker Klaus Geitel, der in der Berliner Premiere 1956 war, hält es sogar für Henzes bestes Stück.
Nur vier Monate nach der Uraufführung in Schwetzingen durch die Bayerische Staatsoper brachte die Deutsche Oper Berlin 1962 Henzes „Elegie für junge Liebende“ in einer eigenen, von Henze selbst ausgestatteten, inszenierten und dirigierten Produktion heraus. Die Hauptpartie sang wie bei der Uraufführung Dietrich Fischer-Dieskau.
1965 erlebte Henzes Oper „Der junge Lord“ an der Deutschen Oper ihre triumphale Uraufführung. Drei Jahre später wurde die Produktion verfilmt. Zusammen mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973), mit der ihn eine enge künstlerische Freundschaft verband, wie die Deutsche Oper in ihrem Jubiläumsband betonte, hatte sich Henze einer Parabel von Wilhelm Hauff von 1827, „Der junge Engländer oder Der Affe als Mensch“, angenommen.
Henze und Bachmann hatten schon während dieser Arbeit ihr nächstes gemeinsames Werk begonnen, „Die Bassariden“. Der Regisseur Gustav Rudolf Sellner inszenierte die Uraufführung 1966 mit Solisten der Deutschen Oper in Salzburg, danach kam die Produktion als Deutsche Erstaufführung zu den Festwochen nach Berlin.
Geprägt durch die Kriegsgefangenschaft
Henze wurde durch seine Erfahrungen in der Kriegsgefangenschaft geprägt. Sein politisches Engagement ab Mitte der 60er-Jahre nahm starken Einfluss auf seine Kompositionen, die Wahl der Texte und Sujets. Er wollte zu den politischen Fragen seiner Zeit in einer neuen Musiksprache Stellung beziehen. Er thematisierte beispielsweise das faschistische Deutschland, die Ereignisse von 1968 und die Revolution in Kuba. 1988 gründete er die Münchener Biennale, deren künstlerischer Leiter er bis 1994 war.
1976 begann der neue Intendant, der renommierte Cellist Siegfried Palm, seine erste Spielzeit mit der Deutschen Erstaufführung von Henzes „Wir erreichen den Fluss“. 25 Jahre nach „Der junge Lord“ kam es 1990 wieder zu einer Opernuraufführung von Henze in der Deutschen Oper: „Das verratene Meer“ nach Yukio Mishimas Roman „Der Seemann, der die See verriet“.
Schott Music würdigte Henze als einen der „vielseitigsten und wirkungsvollsten Komponisten unserer Zeit“. Seine grenzenlose musikalische Fantasie habe während seiner langen künstlerischen Laufbahn in der Komposition von mehr als 40 Bühnenwerken und zehn Symphonien, in Konzerten, Kammermusik, Oratorien, Liederzyklen und einem aus neun Konzerten bestehenden Requiem Ausdruck gefunden.
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