Komödie mit Isabelle Huppert im Kino: Die Alte mit den Drogen
Die Komödie „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ zeigt Isabelle Huppert als erfolgreiche Gelegenheitsdealerin. Den Rollentausch kann sie gut.
„La daronne“ – „Die Alte“ wollte man Isabelle Huppert dann offenbar doch nicht nennen. Es ist der Titel, mit dem Jean-Paul Salomés Gangsterinnen-Komödie in den französischen Kinos startete. In Deutschland ist Huppert beziehungsweise Portefeux, so ihr Rollenname, nun „Eine Frau mit berauschenden Talenten“. Eines von diesen stellt gleich ihr Vorname zur Schau: Patience, Geduld. Die Idee einer Mutter, die ihr Baby überdurchschnittlich lange im Bauch trug.
Als gigantischer Brocken sei das Mädchen schließlich auf die Welt gekommen. Das ist, beguckt man sich Patience Portefeux heute, kaum mehr vorstellbar: Schlüpft sie in ihre Modest-Fashion-Robe, mit der sie zur Araberin unbestimmter Herkunft wird, verschwinden Teile ihrer Hände unter den überlangen Ärmeln.
Dabei ist genau das – Verschwinden – wahrscheinlich Patience’ größte Begabung. Sie stellt das sehr geschickt an: Zwielichtige Geschäfte wickelt sie in unmittelbarer Nähe zur Polizei ab (wer würde das schon tun), und sowieso pflegt sie beruflichen Austausch mit einigen Ermittlern. Einer von ihnen, Philippe (Hippolyte Girardot), ist sogar an privaten Fortsetzungen nach Dienstschluss interessiert.
Patience, seit langen Jahren verwitwet, scheint jedoch nur halbherzig bei der Sache. Es ist einer der vielen Nebenplots, die Salomés Film verlebendigen sollen. Und tatsächlich gibt sich der Regisseur, von dem hierzulande bislang nicht viel mitzubekommen war, Mühe, Bewegung in seine Geschichte zu bringen.
„Eine Frau mit berauschenden Talenten“. Regie: Jean-Paul Salomé. Mit Isabelle Huppert, Hippolyte Girardot u. a. Frankreich 2020, 104 Min.
Das Ergebnis aber ist vor allem hektisch. Kamerafahrten wirken fahrig und aufgerieben, ein stetig wechselnder und manchmal ziemlich guter Soundtrack täuschen Dynamik vor. Es dauert eine Weile, bis man sich auskennt, und es bereitet keine sonderliche Freude, auf diesen Moment hinzuarbeiten.
Zumal das, was einen letztlich erwartet, nicht gerade gehaltvoll ist: Patience, die ihrer geliebten, aber auch sehr anstrengenden Mutter (Spitzname „La princesse“) ein teures Pflegeheim finanziert, ist das Geld ausgegangen. Als sie dank ihres Jobs im Pariser Drogendezernat – sie hört auf Arabisch geführte Telefonate ab und übersetzt diese – von einem verhinderten Deal um eine Tonne bestes Haschisch erfährt, beschließt sie, den Vertrieb selbst in die Hand zu nehmen.
Den Vertrieb selbst in die Hand nehmen
Die Art, wie Huppert zur „Alten“ wird – so nennt man die geheimnisvolle Chefin, die insbesondere zwei junge, wenig clevere Dealer fortan mit dunkelbraunen Briketts versorgt –, ist unterhaltsam wie ärgerlich. Unterhaltsam, weil eine grundsätzliche Komik im Rollentausch liegt und Huppert beides, Komik und Rollentausch, kann.
Empfohlener externer Inhalt
Trailer „Eine Frau mit berauschenden Talenten“
In dieser Hinsicht fühlt man sich an Jérôme Enrichos „Paulette“ vor einigen Jahren erinnert, in dem Bernadette Lafont zur fleißigen Bäckerin von Space-Kuchen avancierte. Die Oma mit den Drogen, das funktioniert als Witz irgendwie. Auch, da der Kontakt mit dem neuen Milieu einlädt, sämtliche Register in Sachen kultureller Vorurteile zu ziehen.
Unsichtbare chinesische Halbwelt
Das könnte Spaß machen. In „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ aber ermüdet es. Die vermeintlich flotten Sprünge zwischen Kebabrestaurants und Unterwäschegeschäften, in denen junge Araberinnen begeistert Selfies schießen, münden in einer chinesischen Halbwelt, die für Patience bislang unsichtbar war.
Denn als einzige Französin ihres Wohnhauses kommt sie erst durch ihre illegale Tätigkeit mit einer anderen „daronne“ in Kontakt: einer kühlen Dame namens Colette Fo (Jade-Nadja Nguyen), die schnell begreift, was vor sich geht und auch bereit ist, bei der bald nötigen Geldwäsche zu helfen.
Ein „fantôme“ bleibt Patience für Colette aber bis zuletzt. Immerhin: ein Privileg, das zumindest Vielschichtigkeit andeutet – und die wird hier niemanden sonst zuteil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja