Kommune gegen Abfall: Tübingen will Müll besteuern
Tübingen beschließt, Einwegverpackungen finanziell zu belasten. Zugleich will die Kommune Mehrwegsysteme für Essensbuden entwickeln.
In Tübingen soll künftig das Verursacherprinzip greifen: Nachdem in der schwäbischen Universitätsstadt im Jahr 2017 die Kosten für die Müllbeseitigung im öffentlichen Raum gegenüber dem Vorjahr um 50.000 Euro gestiegen sind, regiert die Kommune mit einer Steuer auf den Verkauf von Einwegverpackungen.
Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fasste der Gemeinderat mit 22 Ja- gegen 10 Nein-Stimmen. In der Beschlussvorlage beklagt die Stadtverwaltung, dass die „zunehmende Vermüllung durch Einwegverpackungen für Getränke und Speisen“ das Stadtbild präge. Weiter heißt es: „Einweg-Essens- und Getränkeverpackungen wie Coffee-to-go-Becher sowie Salat-Bowls, Nudel-Boxen oder Pizza-Kartons im Stadtgebiet Tübingens sind überall sichtbare Symbole unserer postmodernen Wegwerfgesellschaft.“ Oberbürgermeister Boris Palmer sagte, indem die Stadt die Produktion von Müll teurer mache, beseitige sie finanzielle Fehlanreize, und packe so „das Übel an der Wurzel“.
Die Verwaltung hat nun den Auftrag, in den kommenden Monaten einen Vorschlag für eine Satzung über eine örtliche Verbrauchssteuer auszuarbeiten. Zugleich wird sie laut Beschluss des Gemeinderates, „mit einem Großteil der Tübinger Verzehrgeschäfte ein Konzept für Mehrwegverpackungen und Mehrweggeschirr“ erarbeiten. Für Getränke gibt es dafür Vorbilder, wie den Mehrwegbecher Hannoccino in Hannover oder den FreiburgCup im Breisgau. Auch gibt es bereits einige Städte – Dresden, München, Düsseldorf und Hannover zum Beispiel –, die über ihre Abfallsatzung Einweggeschirr in städtischen Hallen verbieten, oder auf unterschiedlichen Wegen gegen Plastiktüten vorgehen.
Eine kommunale Steuer auf Verpackungen wäre allerdings ein Novum in Deutschland, nachdem ähnliche Vorstöße in den neunziger Jahren an juristischen Hürden scheiterten. Die Stadt Tübingen ist sich bewusst, dass auch ihr Vorstoß rechtlich nicht unumstritten ist. Es seien zwar „aufgrund der aktuell gültigen Fassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in der rechtswissenschaftlichen Literatur Auffassungen zu finden, die von einer Zulässigkeit einer kommunalen Verpackungssteuer ausgehen“, heißt es aus dem Rathaus.
Gleichwohl bestehe „ein gewisses rechtliches Risiko“, dass eine solche Steuer gerichtlich gekippt werden könnte. Der Deutsche Städtetag hielt sich auf Anfrage mit einer juristischen Einschätzung noch zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen