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Ende der Alleinherrschaft naht

Südafrika Der ewig regierende ANC muss in großen Städten Koalitionen bilden, will er an der Macht beteiligt sein. Ein paar empfindliche Niederlagen muss er dabei verkraften

Junge Frauen protestieren bei einer Rede in Pretoria gegen den „Vergewaltiger Jakob Zuma“. Die Tat liegt zehn Jahre zurück Foto: Herman Verwey/ap

Von Martina Schwikowski

BERLIN taz | Für den regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) ist die größte Niederlage seit Ende der Apartheid eingetreten: Die Partei wird vermutlich doch nicht regieren bis Jesus kommt, wie Präsident Jacob Zuma stets gegenüber Kritikern erklärt hat. Nach dem schlechten Wahlergebnis mit 54 Prozent in den Kommunalwahlen der vergangenen Woche muss der ANC nun mit möglichen Koalitionspartnern reden, wenn er in den großen Städten Johannesburg und Tshwane weiterhin regieren will.

Nach Auszählung aller Stimmen am Samstagabend zwang Zuma sich in seiner Rede aus dem Wahlzentrum in Pretoria zu einen versöhnlichen Ton. Doch das wirkte eher wie eine verunglückte Ablenkung von der Krise, in der seine Partei jetzt steckt. Die Misere spitzte sich noch zu, als ein Albtraum für Zuma während seiner Ansprache wahr wurde: Vier schwarz gekleidete Frauen stellten sich während seiner Rede vor die Bühne und hielten schweigend Plakate hoch, die an Zumas Anklage wegen Vergewaltigung vor zehn Jahren erinnerten.

Ihr Protest galt der Frau namens „Khwezi“, die angeblich vom Präsidenten Südafrikas vergewaltigt worden war. Der Präsident war in dem Prozess 2006 freigesprochen worden. Das Sicherheitspersonal zerrte die jungen Frauen und andere Demonstranten aus dem Saal.

Das historisch schlechteste Wahlergebnis für den ANC brachte ihm landesweit immer noch 54 Prozent der Stimmen ein. Doch bislang war die Partei von Nelson Mandela bei einer Wahl noch nie unter 60 Prozent gerutscht. Inoffiziell sind sich viele ANC-Genossen in der zerstrittenen Partei einig, dass Zumas Korruptionsskandale, aber auch die hohe Arbeitslosigkeit und das stagnierende Wirtschaftswachstum zum Machtverlust der Partei beigetragen haben.

Bitter dürfte es für den ANC sein, in der Heimatregion Mandelas und zahlreicher Widerstandskämpfer die Kommunalregierung an die größte Oppositionspartei, die Demokratische Allianz (DA), abgeben zu müssen. Die DA hat in Nelson Mandela Bay (früher Port Elisabeth) unter der Führung des jungen, schwarzen Parteivorsitzenden Musi Maimane mit 46,5 Prozent gesiegt. Bürgermeister wird jetzt der Weiße Athol Trollip.

In Nelson Mandela Bay siegt die oppositionelle Demokratische Allianz

Maimane gelang es in den Wahlkampagnen, das „weiße Image“ der DA abzustreifen. Rhetorisch gekonnt knüpfte der in Soweto geborene Theologe Maimane an die Werte und Traditionen Mandelas an und versprach den ersehnten Wandel, die soziale Versorgung in den armen Gemeinden zu verbessern und mehr Vertrauen in die Politik zu schaffen. In dem Wirtschaftszentrum Gauteng, mit den Städten Johannesburg und Tshwane (früher Pretoria), wird jetzt eine neue Ära eingeläutet. Hier müssen Koalitionsregierungen gebildet werden.

Die Regierungspartei liegt in den Großstädten weit unter 50 Prozent. In Johannesburg kommt der ANC auf knapp 45 Prozent vor der DA mit rund 38 Prozent. In der Hauptstadt ­Tshwane allerdings liegt die DA mit 43,1 Prozent knapp vor dem ANC mit 41,4 Prozent. Dieses Ergebnis eröffnet für die Partei der linkspopulistischen Ökonomischen Freiheitskämpfer (EFF) neue Möglichkeiten, den Königsmacher in Koalitionen zu spielen. In Tshwane erhielt die EFF ein gutes Ergebnis von 11,7 Prozent. Die neue radikale Partei wird vom ANC-Dissidenten Julius Malema geführt. In einer Twitter-Umfrage befürworteten ihre Anhänger mit 17.000 Antworten mehrheitlich eine Regierung mit der oppositionellen DA. Der ANC ginge leer aus.

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