piwik no script img

Kommunalwahlen in SüdafrikaANC bangt um die Macht

Noch nie zitterte der ANC so sehr vor einer Abstimmung. Die liberale Opposition zielt selbstbewusst auf die junge Generation in den Städten.

Gut gekleidet und rhetorisch souverän wird DA-Parteichef Maimane zuweilen mit Barack Obama verglichen Foto: dpa

Für Südafrikas Regierungspartei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) steht bei den Kommunalwahlen am Mittwoch sehr viel auf dem Spiel. Erstmals bangt die ehemalige Befreiungsbewegung Nelson Mandelas in zahlreichen wichtigen Städten um die Macht. Der ANC könnte laut Umfragen die absolute Mehrheit in der Hauptstadt Tshwane (Pretoria) und auch im Wirtschaftszentrum Johannesburg verlieren. Gewinner wäre die oppositionelle DA (Demokratische Allianz).

Die Krise des ANC hat nicht nur mit dem Ansehensverlust von Präsident Jacob Zuma zu tun. Viele Menschen sind enttäuscht über soziale Ungleichheit, hohe Arbeitslosigkeit und wachsende Armut. Wut über ineffektive ANC-Kommunalverwaltungen entlädt sich in beinahe täglichen Protesten. „Der ANC ist derzeit am verwundbarsten seit 1994“, sagt der politische Kommentator Daniel Silke.

Ein jovialer Zuma tourte zwar singend und tanzend durch die Lande und versprach, die DA zu „zerdrücken.“ Aber die DA will neben dem von ihr seit 2006 regierten Kapstadt gleich drei weitere Metropolengemeinden erobern: Tshwane (Pretoria), Johannesburg und Nelson Mandela Bay (Port Elizabeth) – traditionell ANC-Hochburgen.

Tshwane ist Südafrikas Regierungssitz, Nelson Mandela Bay liegt in der Heimat der beiden Post-Apartheid-Präsidenten Nelson Mandela und Thabo Mbeki und ist Sitz der Autoindustrie, deren Metallarbeitergewerkschaft Numsa sich vom ANC abgewandt hat. „In dieser Gemeinde zu verlieren, würde eine Abweisung durch den eigenen Wahlkreis bedeuten und der ANC müsste ernsthaft in sich gehen“, sagt Prince Mashele, Politikwissenschaftler an der Universität Pretoria. Die einstige Befreiungsbewegung wäre dann auf Südafrikas ländliche Gebiete zurückgeworfen.

Als verkappte Rassisten beschimpft

Die DA erschien lange Zeit für kampfbewusste Schwarze nicht wählbar. Sie entstand im Jahr 2000 als Nachfolgeorganisation der liberalen „weißen“ Demokratischen Partei, die einzige erlaubte Opposition während des Apartheidregimes. Sie nahm auch die einstige Apartheidpartei NP (Nationale Partei) in sich auf. Deswegen beschimpft der ANC jetzt DA-Wähler als verkappte Rassisten. Aber dieses Argument zieht immer weniger.

Erster DA-Führer war der jüdischstämmige Tony Leon, danach übernahm Helen Zille das Ruder, die Großnichte des Berliner Malers Heinrich Zille, deren Eltern aus Nazideutschland geflohen waren. Heute ist der Parteichef Mmusi Maimane, ein 36-jähriger Theologe aus Soweto, der scharenweise schwarze Städter anwirbt. Gut gekleidet und rhetorisch souverän, wird Maimane zuweilen mit Barack Obama verglichen. „Wir wissen, dass Südafrikaner echte Lösungen für ihre Probleme wollen, nicht Geschichten aus alter Zeit“, sagte Maimane Ende Juli in Johannesburg.

In Johannesburg führt ein Unternehmer die DA-Liste an. Trumpfkarte für die Partei ist laut Daniel Silke ihre Bilanz in Kapstadt und der Provinz Westkap. Im Vergleich zu ANC-Kommunen entstehen in DA-Gemeinden nach Untersuchungen mehr Arbeitsplätze und mehr Häuser, die Gesundheitsversorgung verbessert sich. In Kapstadt hat die DA seit 2011 rund 140.000 befristete Stellen für Arbeitslose geschaffen. „Wir wollen nach den Wahlen in den Gemeinden die Qualität der Versorgung weiter verbessern“, sagt Maimanes Sprecher Mabine Seabe.

Südafrikaner wollen Lösungen für ihre Probleme, nicht Geschichten aus alter Zeit

Mmusi Maimane, DA-Parteichef

„Es muss wieder mehr Vertrauen in die Politik entstehen und ein investorenfreundlicheres Klima. Wir wollen weg von der Korruption hin zu einem friedlichen Wandel.“ Im Unterschied zum zerstrittenen ANC sei die DA eine geeinte Partei. „Alle stehen hinter der Führung, auch auf Provinzebene, das ist unsere Stärke.“

Nicht nur die DA setzt den ANC unter Druck. Auch die links­populistische EFF (Ökonomische Freiheitskämpfer) mit ihrem radikalen Anführer Julius Malema wirbt erfolgreich um Stimmen. EFF zählt auf Sympathien vor allem in verarmten Townships im Bergbaugürtel und könnte in den städtischen Ballungsräumen das Zünglein an der Waage spielen, falls der ANC seine absoluten Mehrheiten einbüßt und Koalitionen nötig werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 /