Kommunalwahlen in Niedersachsen: Ein Grenzgänger für Nordhorn
Ein Niederländer will in Niedersachsen Bürgermeister werden. Das gab es noch nie - in ganz Europa nicht. Franz Willeme nennt es "gutes Europamarketing".
Frans Willeme ist in diesen Tagen nur schwer zu erreichen. Der Medienrummel um ihn ist groß: Bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen will Willeme am Sonntag Bürgermeister der 53.000-Seelen-Stadt Nordhorn werden - als Niederländer. Möglich ist das, weil EU-Bürger bei Kommunalwahlen nicht nur wählen, sondern auch kandidieren dürfen.
Ein Ausländer im Rathaus wäre dennoch europaweit ein Novum. Entsprechend groß ist das Interesse, deutsche wie niederländische Kamerateams weichen Willeme derzeit nicht von der Seite.
Er selbst nimmt das gelassen. "Das ist nicht nur gutes Stadtmarketing", sagt er, "sondern auch gutes Europamarketing." Und Europa ist für ihn "mehr als eine Geldverteilungsmaschine": eine "Zusammenkunft von Menschen." Das zu zeigen sei in Zeiten von Eurokrise und wachsender Europaskepsis besonders wichtig.
Bis vor Kurzem war Willeme Präsident des deutsch-niederländischen Kommunalverbundes Euregio. 20 Jahre war er Bürgermeister von Nordhorns niederländischer Nachbargemeinde Dinkelland. Am Tag der Befreiung 1994 legte er als erster niederländischer Bürgermeister mit einem deutschen Amtskollegen, dem damaligen Nordhorner SPD-Bürgermeister Witte, einen Kranz zum Gedenken an die Opfer der deutschen Besetzung nieder - eine große Geste.
Im hochverschuldeten Nordhorn steht jetzt ein breites Bündnis hinter ihm: CDU, FDP und die Wählergemeinschaft "Pro Grafschaft" haben den Juristen aufgestellt. Und auch die Grünen loben Willemes "hohes Fachwissen". Der SPD-Mann Witte ruft gar offen zu dessen Wahl auf - obwohl seine Partei mit dem Zoodirektor Thomas Berling einen eigenen Kandidaten hat.
Willeme selbst betont, "kein Parteisoldat" zu sein, sondern "Bürgermeister aller Nordhorner" werden zu wollen. Die bemüht er sich mit großem Wahlkampfprogramm davon zu überzeugen. Für ihn ist das trotz aller Amtserfahrung ungewohnt: In den Niederlanden werden Bürgermeister von der Regierung ernannt und nicht gewählt. "Sich ins Schaufenster zu stellen und positiv über sich sprechen muss man dort nicht", sagt Willeme, "es reicht, wenn andere gut über einen reden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen