Kommunalwahl in der Türkei: Wahlkommission verbietet AKP-Spot
Weil in der Wahlwerbung von Erdogans AKP Nationalfahne und religiöse Symbole auftauchen, wurde sie untersagt. Bei Twitter geht man von anderen Gründen aus.
BERLIN taz | Die Türkische Wahlkommission hat einen Werbespot der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) für die landesweite Kommunalwahl am 30. März verboten. Der Grund: Laut dem türkischen Wahlgesetz dürfen die Nationalfahne und religiöse Inhalte nicht für Werbezwecke benutzt werden.
Dabei flattert in diesem Werbespot nicht einfach irgendwo eine Fahne; vielmehr ist der Spot die Videoversion der paranoiden Rhetorik, der sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seit den Gezi-Protesten vom Frühjahr vergangenen Jahres bedient. Zuletzt sprach er im Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen und den auf Youtube veröffentlichten Tonbandmitschnitten von einer „Roboterlobby“, die in den sozialen Netzwerken dafür sorge, dass Unwahrheiten verbreitet werden.
In dem Spot ist zu sehen, wie sich ein maskierter Mann den Zugang zu einem riesigen Turm verschafft, an dessen Spitze eine türkische Fahne weht. Er zerschneidet die Drahtseile, die Seilrolle dreht sich kreischend auf, Fahne fällt herunter, ihr Schatten legt sich über die Stadt und das Land – über den Frisör, der gerade einen Kunden rasiert, über die Studenten in einem Hörsaal, über den Bauer, der mit seinem Traktor das Feld pflügt, den Geschäftsmann, die Hausfrau, den Mann mit dem kurdischen Kopftuch, dem puşi.
Empfohlener externer Inhalt
Doch nach einem ersten Moment des Schreckens laufen die Menschen los, aus dem Hörsaal, von den Feldern, aus den Büros. Nur einer läuft nicht mit: Ein einsamer, älterer Mann in einer Moschee, der die Menschen mit seinen Gebeten unterstützt.
In einer Szene ist der Güven-Park in Ankara zu sehen, der bei den Protesten im Sommer mehrfach Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen war und wo der Demonstrant Ethem Sarısülük von einem Polizisten erschossen wurde, in einer besonders gelungenen Szene stürzen sich in Istanbul Menschen ins Meer, um auf die andere Seite zu schwimmen, schließlich sieht man Menschenmassen, die über die Bosporus-Brücke laufen. Während der Gezi-Proteste hatten einige tausend Menschen, weil die Fähr- und Busverbindungen stillgelegt worden waren, die für den Fußgängerverkehr gesperrte Brücke zu Fuß überquert.
Dramatische Musik, seifiger Pathos
In dem AKP-Video strömen die Menschen zum Fahnenturm. Dort angelangt, steigen sie einander auf die Schultern, bis einer in luftiger Höhe sich ein Herz fasst und mit einem Sprung in den Tod das Ende des Drahtseils ergreift und im Fallen die Fahne hochzieht. Am Ende wird Ministerpräsident Erdoğan eingeblendet. „Die Nation beugt sich nicht, die Türkei verliert nicht“, steht neben seinem Konterfei. Die Botschaft: Die Türkei ist Erdoğan. Wer gegen ihn ist, ist gegen die Türkei.
Untermalt ist der Spot von einer dramatischen Musik, über die ein Sprecher in dem seifigen Pathos islamistischer Propagandavideos die fünfte bis zehnte Strophe der türkischen Nationalhymne rezitiert, in der ihrem Erdichter Mehmet Akif Ersoy Zeilen wie diese gelungen sind: „Wer opfert sich nicht für dieses paradiesische Vaterland / Märtyrer spritzen hervor, wenn du die Erde zerdrückst, Märtyrer!“ Gesungen werden nur die ersten beiden Strophen; im restlichen Teil des Textes, der in diesem Video wiedergegeben wird, gesellen sich zur Blut-und-Boden-Metaphorik des Anfangs noch religiöse Motive, der Text und das Video enden mit der Zeile: „Die Freiheit ist das Recht meiner gottgläubigen Nation.“
Von der martialischen Botschaft einmal abgesehen, ist die filmische Idee, dass sich Menschen zu einem Berg auftürmen, vielleicht nicht schlecht. Sie ist nur geklaut. Und zwar aus einem alten Werbespot von Sony für die Spielkonsole Playstation 2. Trotz des Donnerstagfrüh verhängten Verbots berichteten auf Twitter türkische Fernzuschauer, dass der Spot weiterhin im Fernsehen zu sehen gewesen sein. Eine ganze Reihe von Fernsehsendern ist eing mit der AKP-Regierung verflochten.
Türkische Twitter-User haben derweil eine andere Erklärung für das Verbot gefunden: So hat der User Mete Yalçın ein Screenshot von einer Szene aus dem Spot gemacht, in der zu sehen ist, wie ein Mann von unten einem anderen in den Schritt greift. „Die AKP-Werbung wurde aus diesem Grund verboten“, schreibt er.
In der Vergangenheit haben verschiedene Politiker der AKP bekundet, dass sie Homosexualität für eine Krankheit halten. Seit drei Jahren sind in der Türkei 138 Wörter in Domainadressen verboten, darunter die Wörter schwul, lesbisch und homosexuell.
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