Kommunalwahl in Wien: Jubel bei der FPÖ
Die Sozialdemokraten verlieren bei der Kommunalwahl im "roten Wien" die absolute Mehrheit. Die rechtspopulistische FPÖ bekommt knapp 27 Prozent der Wählerstimmen.
WIEN taz | Mehr als ein Viertel der Wählerinnen und Wähler von Wien, nämlich 27 Prozent, hat sich für die rechte FPÖ entschieden, die mit antiislamischen Parolen Stimmung machte. Bürgermeister Michael Häupl mit seiner SPÖ verlor fünf Prozentpunkte und mit 44,1 Prozent auch die absolute Mehrheit an Mandaten. Häupl wird sich also nach einem Koalitionspartner umsehen müssen. Sowohl Grüne als auch die bürgerliche ÖVP haben sich angeboten. Häupl hält sich aber bedeckt. Mit Sicherheit ausgeschlossen hat er eine Allianz mit dem strahlenden Wahlsieger Heinz Christian Strache, der seine Mandate mehr als verdoppeln konnte.
Alle anderen Parteien mussten Federn lassen. Besonders stark die ÖVP, die von über 18 auf knapp 13 Prozent absackte: ein historischer Tiefpunkt. Die Grünen, denen nach einer internen Krise bereits ein Debakel vorausgesagt wurde, kamen mit Verlusten von zwei Prozentpunkten und 12,2 Prozent noch relativ glimpflich davonkamen. Das von Jörg Haider gegründete BZÖ scheiterte mit 1,4 Prozent wieder deutlich an der Fünfprozenthürde und auch die KPÖ bleibt weiterhin nur in einigen Bezirksvertretungen präsent.
Strache, dessen FPÖ nur knapp unter dem historischen Rekordergebnis von Jörg Haider 1996 liegt, stellte nach der ersten Hochrechnung den Anspruch auf das Bürgermeisteramt. Er appellierte an ÖVP und Grüne, ihn zum Bürgermeister zu wählen, um dem Wählerwillen nachzukommen. Obwohl das rechnerisch möglich wäre, da die drei Parteien miteinander voraussichtlich 52 von 100 Gemeinräten stellen werden, gehört Straches Ansage ins Reich der Propaganda. Grünen-Chefin Maria Vassilakou hat eine solche Möglichkeit kategorisch ausgeschlossen.
Michael Häupl machte die mangelnde Mobilisierung seiner Anhängerschaft für die Verluste verantwortlich. Doch lag die Wahlbeteiligung mit 60 Prozent plus über der von 2005. Vor allem in den proletarischen Bezirken wanderten Stimmen massiv von der SPÖ zur FPÖ, die fast ausschließlich mit dem Thema Zuwanderung Wahlkampf gemacht hatte. In ihren Hochburgen verloren hat auch die ÖVP, die in den traditionell bürgerlichen Bezirken abgestraft wurde. Endgültige Ergebnisse wird es erst in einer Woche geben, wenn die bis zu 150.000 Briefstimmen ausgezählt sind. Traditionell gewinnen die Grünen noch dazu während die FPÖ leicht verlieren könnte.
Politische Kommentatoren rechnen mit einer Neuauflage einer Koalition mit der ÖVP, die schon aus der Zeit vor 2001 eingespielt ist. Häupl braucht auch das Wohlwollen der ÖVP-dominierten Wirtschaftskammer. Eine Allianz mit den Grünen, die aus der Opposition schon Radwege, autofreie Wohnsiedlungen und Förderung von energiesparenden Passivhäusern durchsetzen könnten, ist aber nicht ausgeschlossen. Es gibt in der SPÖ einige Befürworter dieser Option, die gleichzeitig ein Signal wäre, dass neue Wege beschritten werden. Während Koalitionen der ÖVP mit den Grünen in Oberösterreich sowie den Landeshauptstädten Graz und Bregenz gut funktionieren, sind in Österreich rot-grüne Experimente bisher immer von der SPÖ gemieden worden.
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