Kommentar: Neues Siegelwirrwarr

Nun kommt ein weiteres Biosiegel auf den deutschen Markt. Die EU macht damit die Verwirrung komplett: Wer gute Bioware sucht, muss künftig genauer hinsehen

Was ist Öko, was nicht? Gestern haben die EU-Agrarminister das neu definiert. Das Problem: Sie setzen auf weniger statt mehr Qualität, auf Bio in Masse statt in Klasse. In Ökolebensmitteln kann künftig mehr drin sein, als manchem lieb ist. Da dürfen mit Gentechnik hergestellte Vitamine in den Babybrei. Und Länder können Sondergenehmigungen für den Einsatz von Ackergiften erteilen. So verlieren die Verbraucher ihr Vertrauen in die biologische Landwirtschaft. Das ist die falsche Richtung.

Sicher, je geringer der Aufwand und je weniger streng die Regeln, umso mehr Bauern werden weltweit auf Bio umsteigen. Und das ist allemal besser, als konventionell zu wirtschaften. Aber wer weiß, wie lange der Kunde das mitmacht. Gewiss, derzeit gibt es einen Boom der Biobranche, die Verbraucher kaufen die Regale in Bioläden und den Supermärkten leer. Warum sollten sie Brot oder Gurken mit EU-Biosiegel kaufen, wenn sie sich nicht darauf verlassen können, dass Chemie und Gentechnik tabu sind? Dumm, dass die Minister auf quantitatives und nicht auf qualitatives Wachstum setzen.

Eine Tomate braucht 120 Liter Wasser, bis sie reif ist. Eine Biofrucht, die aus Südspanien kommt, wurde darum stark bewässert. Ökologisch ist das nicht in einer trockenen Region. Oder: Hühner, die 40 Jahre lang auf Hochleistung in Legebatterien getrimmt worden sind, sind für das Leben draußen nicht mehr geschaffen. Ihr Magen ist zu schwach, Federn haben sie zu wenig. Robusten Rassen ergeht es im Freiland besser. Die Biobauern aber werden nicht verpflichtet, auf solche umzusteigen.

Für eingefleischte Biokunden wird Einkaufen künftig schwieriger. Wenn immer neue Bioprodukte auf den Markt drängen, müssen sie genauer hinschauen. Deutsche Bioverbände wie Demeter oder Bioland sind zum Beispiel strenger als die EU - und werben mit eigenen Logos. Nur zwischen biologischen und konventionellen Lebensmitteln zu unterscheiden, reicht künftig nicht mehr. Und wer sicher ökologisch einkaufen will, muss auf Bioprodukte aus der Region setzen.

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War von 2002 bis 2013 in der taz, leitete dort zuletzt das Inlandsressort. Jetzt gehört sie zum Büro die-korrespondenten.de im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie schreibt vor allem über Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik.

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