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KommentarBioerdbeeren dürfen fliegen

Kommentar von Christine Zeiner

Kein Biosiegel für Ökoprodukte, die mit dem Flugzeug transportiert werden? Das würde die Biolandwirtschaft im Süden ruinieren.

K ein Biosiegel für Lebensmittel, die per Flugzeug transportiert worden sind - dieser Vorschlag aus Großbritannien klingt schlüssig: Wenn schon öko, dann richtig. Doch bloß, weil manches - nach Ökokriterien angebautes - Obst oder Gemüse kein Siegel mehr bekommt, heißt das noch lange nicht, dass sich das auch positiv auf die CO2-Bilanz auswirkt. Verbraucher, die das ganze Jahr über Erdbeeren, Spargel und Tomaten essen möchten, werden das auch weiterhin tun. Dann kaufen sie eben keine ausgewiesene Ökoware mehr.

Produkte ohne Biosiegel erzielen niedrigere Preise im Supermarkt. Das könnte für den Anbau jener Ökoware, die bislang per Flugzeug transportiert wurde, das Aus bedeuten. Viele ProduzentInnen im Süden halten sich an Ökorichtlinien, weil sie für so erzeugte Produkte mehr Geld bekommen. Nicht nur sie profitieren, sondern auch die Umwelt vor Ort. Böden, die nicht intensiv bewirtschaftet werden, binden mehr Kohlendioxid. Ökolandwirtschaft verzichtet auf den hohen Energieaufwand, der für die Herstellung von Dünger und Schädlingsbekämpfungsmitteln benötigt wird. Wegen der ökologischen Transportkosten Biolandwirtschaft im Süden zu ruinieren, fördert also weder den Schutz der Umwelt, noch ist es im Sinne von Verbrauchern, die bewusst konsumieren möchten. Sie könnten selbst entscheiden, ob sie herangeflogenes Gemüse essen wollen, wenn neben dem Ökosiegel etwa ein Flugzeugbutton auf der Ware klebte - die Kette "Marks and Spencer" macht vor, dass das geht.

Anstatt also über die Abschaffung des Siegels nachzudenken, sollten besser Konsequenzen, die Handel mit sich bringt, thematisiert werden. Etwa die Frage nach der Nahrungssouveränität des Südens: Was bedeutet es zum Beispiel für die Menschen in Guatemala, dass sie Brokkoli anbauen, der gar nicht auf ihrer Speisekarte steht? Unternehmer bauen das Gemüse ausschließlich für Esser in den USA und Europa an. Ökolebensmitteln, die das Flugzeug nach Europa gebracht hat, das Siegel zu entziehen, hieße, Fragen zu verdrängen - aus den Augen, aus dem Sinn. CHRISTINE ZEINER

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2 Kommentare

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  • V
    vic

    Die Ware als Flugware zu kennzeichnen wäre m.E. ausreichend.

    Die Verbraucher sollen entscheiden können.

    Mindestens so wichtig sind ohnehin fair produzierte Waren.

  • WH
    Wolf-Dietrich Hutter

    Auch wenn nach einer Studie des Bioland-Verbandes Biolandbau ca. 60% weniger CO2 erzeugt als koventionaller Landbau, sollte man zusätzlich die Umweltbelastung durch den Transport sehr ernst nehmen. Die Einsicht, dass strenge Kriterien für eine umweltgerechte Lebensmittelproduktion für uns als reiche Verbraucher in Westeuropa Änderungen des Kosumverhaltens erfordert ist wichtig. Strengere Kriterien für umweltgerechte Lebensmittel zu fordern und die Umweltverschmutzung durch den Transport (Luftfracht ist nur das schlimmste Beispiel) einzubeziehen kann eben auch zur Veränderung des Konsumverhaltens beitragen. Wer wie Christine Zeiner nicht glaubt, dass die Gütesiegel nicht auch das Verbraucherverhalten ändern, der ist in der fatalistischen Ecke. Ihr Argument, dass viele Bio-Bauern in den Entwicklungsländern durch einen Ausschluss ihrer Produkte aufgrund der CO2-Emisionen beim Transport ihre Existenzgrundlage verlieren könnten, erscheint schlüssig. Gleichzeitig sind aber auch die ärmsten Regionen stark vom Klimawandel betroffen. Wir werden durch den Klimawandel eben vor schlimme Alternativen gestellt: Lieber arbeitslöse Bio-Bauern in den Entwicklungsländern jetzt, als durch die Klimakatastrophe verwüstete Landstriche in 50+ Jahren. Für niemanden ist eine solche Güterabwägung leicht. Aber wahrscheinlich werden wir nicht darum herumkommen, solche Fragen zu diskutieren. Erst recht nicht, wenn es um Gütesegel geht, die nicht nur BIO, im Sinne von guter Lebensmittelqualiät, sondern auch ÖKO, im Sinne von umweltgerecht und Klimafreundlich, sein sollen. BIO und ÖKO können nämlich in gewisser Weise konkurrierende Perspektiven sein.