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KommentarNord-Süd-Konflikt im UN-Gremium

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die Einigung des UN-Menschenrechtsrats über seine Arbeitsregeln ist ein Rückschritt. Verantwortlich ist eine Koalition von Staaten aus Asien, Afrika und Lateinamerika.

D er Kompromiss des Genfer UNO-Menschenrechtsrats über seine künftigen Arbeitsregeln ist ein Rückschritt. Ein Rückschritt gegenüber den Bedingungen in der Anfang 2005 aufgelösten Menschenrechtskommission, der oft als "ineffektiv"und "unglaubwürdig" geschmähten und voreilig aufgelösten Vorgängerin des Rats. Das zeigt vor allem der strikte Verhaltenskodex für die Berichterstatter, die der Rat im Rahmen eines Sonderverfahrens in ein Land entsenden kann, um die Lage der Menschenrechte vor Ort zu überprüfen.

Bild: Kristin Flory

Andreas Zumach (52) ist Uno-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf.

Zwar ist es ein Fortschritt, dass der Rat über derartige Sonderverfahren hinaus künftig die Situation der Menschenrechte in allen 192 UNO-Staaten "regelmäßig überprüfen"darf. Doch die dafür vom Rat vereinbarten Regeln sind so einseitig an den Schutzinteressen von Regierungen orientiert, dass von dem Fortschritt in der Praxis wahrscheinlich wenig übrig bleiben wird. Zu verantworten haben diesen Rückschritt rein rechnerisch eine derzeit von China, Pakistan, Algerien und Kuba angeführte Koalition von Staaten aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Sie hat im Rat eine größere Mehrheit als in der früheren Kommission.

Die Koalition ist nicht nur deshalb relativ geschlossen aufgetreten, weil die Regierungen dieser Staaten Menschenrechte gering achten. Ihr Auftritt ist auch ein Beleg für den Nord-Süd-Konflikt, der seit spätestens Mitte der 90er-Jahre in der früheren Kommission eskaliert. Die Länder des Nordens haben sich fast nur auf die bürgerlichen und politischen Freiheitsrechte konzentriert. Wirtschaftliche und soziale Menschenrechte, die - wie das Recht auf Ernährung - in vielen Ländern des Südens nicht oder nur sehr eingeschränkt existieren, haben sie sträflich vernachlässigt. Länderkritische Resolutionen wurden fast ausschließlich vom Norden wegen Menschenrechtsverletzungen im Süden eingebracht. Als etwa Kuba eine US-kritische Resolution zu Guantánamo einbrachte, verweigerten die EU-Länder die Unterstützung. Den Nord-Süd-Konflikt hat in erster Linie der Norden zu lösen. Sonst bleibt es bei der Blockade des Menschenrechtsrats.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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