Kommentar: An Strategiefragen gescheitert
Das Tornado-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein Freibrief für künftige NATO-Militärinventionen rund um den Globus.
D as Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Tornado-Einsätze kommt einem Freibrief für künftige Militärinterventionen der Nato rund um den Globus gleich. Zur Entscheidung standen zwei Fragen: ob die Operationen in Afghanistan noch gemäß dem Nato-Vertrag als Verteidigung gelten und ob sie der Wahrung des Friedens dienen. Das Gericht hat vernünftige Kriterien für die Beantwortung dieser Fragen entwickelt. Das Problem des Urteils ist, dass es mit unhaltbaren Fakten hantiert, um auf beide Fragen mit Ja antworten zu können.
Die Richter führen aus, dass der Einsatz in Afghanistan für die Sicherheit des "euro-atlantischen Raums" unternommen würde, sich also im Rahmen des Nato-Vertrages bewegte. Von einem illegalen Angriff könne nicht die Rede sein, denn der Nato-Vertrag habe nie Operationen auf dem Territorium eines Aggressors ausgeschlossen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der "Krisenreaktionseinsatz" der Isaf in Afghanistan in einem "zeitlichen und räumlichen" Zusammenhang mit der ursprünglichen Aggression, den Attentaten vom 11. 9. 2001, stehe. Gerade diese These ist sachlich unbegründet. Selbst wenn man der Meinung ist, die USA hätten in zulässiger Selbstverteidigung gehandelt - der heutige Krieg in Afghanistan steht längst nicht mehr in diesem Zusammenhang. Wenn das Kriterium des nötigen zeitlichen und rechtlichen Zusammenhangs so weit ausgedehnt wird wie in diesem Urteil, bewegt sich jede kriegerische Aktion der Nato auf dem Rechtsboden der legitimen Verteidigung.
Das Gericht hat Mühe darauf verwandt, die Operationen der Nato, also der Isaf, von den Operationen von "Enduring Freedom", also der USA, zu trennen. Und so den friedensbewahrenden Charakter der Isaf zu betonen. Denn nur friedenswahrende Operationen sind durch das Grundgesetz gedeckt. Auch dieser Feststellung des Gerichts kann unter Hinweis auf die Verschmelzung von "Enduring Freedom" und Isaf leicht widersprochen werden.
Das Urteil liest sich wie eine Ausmalung der Struckschen Maxime, nach der die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt würde. Der Ausflug in solche strategischen Höhen ist dem Gericht schlecht bekommen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens