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KommentarRichter machen was sie wollen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Linke will das Wahlverfahren der Verfassungsrichter reformieren. Eine unnötige Forderung, denn das heutige System funktioniert ziemlich gut.

D as Bundesverfassungsgericht genießt unter den Staatsorganen das höchste Vertrauen. Dennoch will Wolfgang Neskovic, Rechtsexperte der Linken, das Verfahren für die Wahl der Verfassungsrichter reformieren. Er fordert öffentliche Anhörungen und eine stärkere Einbeziehung der Opposition. Anlass des Vorstoßes ist die Wahl von Ferdinand Kirchhof, Tübinger Rechtsprofessor und Bruder des Exverfassungsrichters Paul Kirchhof, am Donnerstag.

Bild: privat

Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz mit Sitz in Freiburg

Öffentliche Anhörungen sind natürlich nichts Schlechtes, aber man sollte ihre Wirkung auch nicht überschätzen. Für eine öffentliche Debatte sind sie jedenfalls nicht erforderlich. Über neue Bundesminister wird schließlich auch ohne förmliche Anhörung lebhaft diskutiert. Nötig ist nur das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit.

Dass Kirchhof Verfassungsrichter werden soll, ist schon seit rund einem Jahr bekannt. Dass er ein Erzkonservativer ist, weiß man spätestens, seit er das Land Baden-Württemberg im Kopftuchstreit durch die Instanzen begleitet hat. Zeit und Anlass zur Debatte waren also gegeben.

Die hohe Legitimation des Verfassungsgerichts ist Folge einer Regel, wonach die Richter mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden. Dies sorgt für eine relativ ausgewogene Rechtsprechung, weil sich die Regierung mit der größten Oppositionspartei auf Personalpakete einigen muss.

Kleinere Parteien wie die Linkspartei, die FDP und die Grünen erhalten allerdings nur dann ein Vorschlagsrecht, wenn sie gerade Teil der Regierung sind. In Zeiten der großen Koalition gehen sie leer aus. Deshalb ist es naheliegend, gerade jetzt über eine Reform zu diskutieren, bei der die Vorschlagsrechte proportional auf alle Fraktionen verteilt werden. Dies könnte aber entsprechend der Wahlergebnisse schnell zu linken oder rechten Mehrheiten am Verfassungsgericht führen und so die Legitimation der Richter eher beschädigen.

Wahrscheinlich sollte man die Diskussion um das Wahlverfahren aber gar nicht so ernst nehmen. Die Richter machen eh nicht unbedingt das, was man einst von ihnen erwartet hat.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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1 Kommentar

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  • AZ
    Anke Zöckel

    Ich stimme Christian Rath zu in seiner Meinung, man sollte die Diskussion um das Wahlverfahren für Bundesverfassungsrichter nicht übertreiben. Die von ihm als Begründung dafür aufgestellte Behauptung aber, die Richter würden "eh nicht machen, was man (einst) von ihnen erwartet (hat)", kann ich nicht so ganz teilen.

     

    Schön wär's ja, wenn gerade unsere Verfassungsrichter im Zweifel ausschließlich ihrem Gewissen verpflichtet wären. Fakt aber ist, dass auch Richter Menschen bzw. Staatsbürger und als solche in menschliche (Staats- also Macht-)Strukturen eingebunden sind. Ihre Entscheidungen lassen denn mitunter auch bestimmte sonstige Abhängigkeiten und Rücksichten ganz stark vermuten.

     

    Was natürlich nichts an der Tatsache ändert, dass wegen des menschenen Hangs zum strategisch-taktischen Gleichgewicht tatsächlich gerade die 2/3-Regelung zumindest eine gewisse Ausgeglichenheit in der Rechtssprchung garantiert - außer in Zeiten, in denen die Regierung selbst über diese 2/3 Mehrheit verfügt.

     

    Vielleicht sollte man für derartig "schlechte Zeiten" eine Sonderklausel ins Wahlgesetz einführen. Aber dieser Vorschlag, nehme ich na, kann schon wieder als Diskussionsbeitrag gewertet werden. Und Diskussionen, das ist jedenfalls meine Erfahrung, machen die Sache selten besser. Ich ziehe meine Idee also hiermit zurück. Nichts für ungut, Leute. War nicht so gemeint.